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The Notwist im Skaters Palace

Neugierig, offen, versöhnend – und aktuell

Münster

Sechs Jahre lang gab es von The Notwist nichts Neues zu hören. Doch jetzt ist das Trio, das die Veranstalter vom Gleis 22 als Deutschlands beste Indie-Post-Elektro-Band loben, mit neuem Album auf Tour. Am Sonntag treten sie im Skaters Palace auf.

Auf „Vertigo Days“, dem ersten Album von The Notwist seit sechs Jahren, präsentieren sich Markus und Micha Acher sowie Cico Beck ganz im Hier und Jetzt. Foto: Gerald von Foris

Nach nur vier Jahren kehrt Deutschlands beste Indie-Post-Elektro-Band wieder zurück nach Münster. Zumindest lassen die Veranstalter des Konzerts im Skaters Palace am Sonntag (12. März), das Gleis 22, keinen Zweifel daran, dass es sich bei ihrer erklärten Lieblingsband The Notwist um genau das handelt.

Ihre Musik näher zu beschreiben wäre dabei wie Eulen nach Athen zu tragen, schreibt das Gleis in einer Ankündigung. Es ist eine Musik der Verschränkung und Versöhnung. Der auf Breitwand expandierte Pop und der experimentell krautige Jazz, der Geist der Aufklärung und die Verspieltheit des Barock, Minimal Music und die Avantgarde der Moderne, Dubverfahren und Hip-Hop-Techniken bis hin zu House Music – sie alle versöhnen sich hier in einer elegisch romantischen Verschränkung.

Neugier und Offenheit

Auf „Vertigo Days“, dem ersten Album von The Notwist seit sechs Jahren, präsentiert sich die Band ganz im Hier und Jetzt. Neugier und Offenheit waren schon immer treibende Kräfte hinter ihrer Musik, doch selten wurde das so deutlich wie auf „Vertigo Days“.

Musikalisch vermittelt sich diese Offenheit im Amalgam aus melancholischem Pop und funkelnder Elektronik, hypnotischem Krautrock und schwebenden Balladen. Konzeptuell zeigt sie sich zudem im Umstand, dass The Notwist ihre Kernbesetzung – bestehend aus den Brüdern Markus und Micha Acher sowie Cico Beck – für dieses Album um Gastmusikerinnen und -musiker erweitert haben.

Markus Acher

„Wir wollten das gängige Konzept einer Band infrage stellen, aber auch die Idee von nationalen Identitäten aufweichen“, erklärt Markus Acher. „Darum haben wir auch anderen Stimmen und Sprachen Raum gegeben.“

Sechs Jahre sind seit dem letzten Album „Close To The Glass“ vergangen. Jahre, die die Mitglieder der Band nicht nur ihren anderen Projekten gewidmet haben, sondern auch dem Betreiben eines eigenen Plattenlabels (Alien Transistor), dem Komponieren mehrerer Filmmusiken sowie dem Kuratieren von Compilations (zuletzt Minna Miteru) und einem jährlich stattfindenden Festival (Alien Disko).

Die Erfahrungen aus anderen Musikprojekten und die weltpolitischen Geschehnisse haben The Notwist auf dem neuen Album verarbeitet. Foto: Johannes Maria Haslinger

All das hinterließ auf dem neuen Album Spuren. Es spiegelt sich vor allem in seiner Struktur, die das Ergebnis eines offenen, kollektivistischen Prozesses ist: Aus Improvisationen wurden Songs, die oft ineinandergreifen. Entstanden ist eine äußerst lebendige Musik, deren cinematische Qualität sich auch im Artwork der japanischen Fotografin Lieko Shiga wiederfindet.

Die wiedergefundene Offenheit zeigt sich bereits bei „Ship“, der ersten Single zum Album. Ein treibender, krautiger Groove dient hier als Fundament für die entwaffnende Stimme von Saya, bekannt als weibliche Hälfte des japanischen Pop-Duos Tenniscoats.

Musikprominenz aus anderen Genres

Ein weiterer Gast ist der US-amerikanische Multiinstrumentalist Ben LaMar Gay, der für „Oh Sweet Fire“ auch den Text schrieb: Ein „Liebesgedicht für heutige Zeiten“, das von Liebenden in den Wirren eines politischen Protestmarsches erzählt.

Dem leicht spacigen Dream-Pop von „Into The Ice Age“ lieh Jazzmusikerin Angel Bat Dawid ihr Klarinettenspiel. Zu „Al Sur“ schließlich steuerte die argentinische Sängerin und Produzentin Juana Molina Gesang und die elektronischen Teile des Arrangements bei. Bei diesem Stück tritt abermals Saya in Erscheinung, diesmal jedoch in ihrer Funktion als Teil des Bläserensembles Zayaendo.

Vielstimmig, aber kohärent

Die Vielstimmigkeit aus Ideen, Stilen und Beteiligten wächst auf „Vertigo Days“ zu etwas tatsächlich Kohärentem zusammen. Aus Diversität formiert sich ein Album im besten Sinne, eines, das beim Hören im Ganzen noch dazugewinnt. Auch die Songtexte sind miteinander verwoben: Sie erwecken, wie Markus Acher sagt, „das Gefühl eines zusammenhängenden Gedichts.“

In diesen facettenreichen Text haben sich die (geo-) politischen Unwägbarkeiten der letzten Jahre tief eingeschrieben: „Dass für unmöglich Gehaltenes jederzeit Realität werden kann, war so ein Thema, das wir eher aus dem Privaten kannten. Aber während der Aufnahmen zum Album hat sich die Situation dramatisch verändert. Plötzlich ereigneten sich diese unmöglich geglaubten Dinge auch außerhalb, in weltpolitischem Maßstab“, erläutert Markus, der dieser Erfahrung mit den poetischen Mitteln der Abstraktion begegnet, sie allerdings nicht als Einbahnstraße, sondern als multidirektionale Bewegung begreift.

Globales wird Privates

Globale Zusammenhänge verlängern sich auf „Vertigo Days“ mitunter zurück ins Private. Alles ist in der Schwebe, sicher ist nur, dass nichts sicher ist. „Vielleicht geht es vor allem um einen Lernprozess, und darum, dass man nie wirklich irgendwo an-kommt“, sagt Acher. „Sich dieser Unsicherheit zu stellen, erfordert Mut – sie erfüllt uns aber zugleich mit einem starken Gefühl der Lebendigkeit.“

Das Konzert von The Notwist im Skaters Palace, Dahlweg 126, beginnt um 20 Uhr. Einlass ist ab 19 Uhr. Karten kosten im Vorverkauf 30, an der Abendkasse 35 Euro. www.tixforgigs.de

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