US-Künstler Claes Oldenburg ist tot
Trauer um Schöpfer der Aasee-Kugeln
Münster/New York
Er war der Schöpfer der Aasee-Kugeln in Münster. Jetzt ist der Pop-Art-Künstler Claes Oldenburg im Alter von 93 Jahren gestorben.
Pop-Art mag in seiner Frühphase als knallig, bunt und plakativ überrascht haben, aber aus Sicht von Claes Oldenburg war sie im buchstäblichen Sinne flach. Der in Schweden geborene Künstler glaubte an die Wirkung von Alltagsgegenständen, aber er ging einen Schritt weiter als seine Zeitgenossen: Er hob die vor allem auf Drucken und Gemälden stattfindende Pop-Art der 1960er zur Skulptur empor und setzte Konsumobjekte auf humorvolle Weise in einen neuen Kontext. Mit Andy Warhol und Roy Lichtenstein zählte er zu den größten Vertretern der Strömung.
Am Montag starb Claes Oldenburg im Alter von 93 Jahren, wie eine Sprecherin der Pace-Galerie, die den Künstler seit 1960 vertrat, sagte. Oldenburg habe sich zuletzt in seinem Studio im Stadtteil SoHo, wo er auch lebte, von einem Sturz erholt. Gesundheitlich angeschlagen war er schon länger gewesen, nachdem er sich vor ein paar Jahren die Hüfte gebrochen hatte. Auch mithilfe eines Fahrradtrainingsgeräts zu Hause hatte er dagegen angekämpft und noch lange weitergearbeitet. „Manche Tage sind wunderbar, andere sind schrecklich. So ist das eben“, hatte er vor wenigen Jahren gesagt.
„Eine kleine Skulptur kann genauso mächtig sein wie eine große.“
Oldenburg schuf im Rahmen der „Skulptur-Projekte“ im Jahr 1977 die „Giant Pool Balls“ am Aasee in Münster, bekannter unter dem Namen Aasee-Kugeln – eines der am prägnantesten wirkenden und äußerst populär gewordenen Werke dieser Kunst-Institution. Das Bedeutende an Oldenburgs Kunst war die Bedeutungslosigkeit, wie er selbst einmal erklärte. „Die Bedeutung darin wird zweifelhaft und uneinheitlich bleiben – und genauso sollte es sein.“ Bedeutung wurde lediglich simuliert, und Fans wie Kritiker blieben manchmal rätselnd zurück, wenn sie einem gigantischen Teelöffel mit Kirsche, der Skulptur eines riesigen Federballs oder wabbeligen Hamburgern und Tortenstücken einen tieferen Sinn andichten wollten.
Claes Thure Oldenburg wurde 1929 in Stockholm geboren, einige Jahre später zog die Familie in die USA. Er studierte in Yale und versuchte sich als Reporter beim City News Bureau in Chicago, besuchte dann aber das Art Institute of Chicago und illustrierte für Magazine. Nach dem Umzug nach New York 1953, die amerikanische Staatsbürgerschaft in der Tasche, experimentierte er in ersten Schauen mit Pappmaché und Gips. „Sausage“ hieß die erste seiner „soft sculptures“ – weiche Objekte aus Stoff, die er mit Zeitungspapier oder Lumpen und Kleidungsfetzen stopfte.
Den Raum aus der Welt des alltäglichen Konsums schuf Oldenburg gleich mit, als er einen Laden namens „The Store“ in der Lower East Side anmietete. Er verkaufte Gips-Nachahmungen von so alltäglichen Dingen wie Schuhen, Hemden und Tortenstücken, die er in einem Hinterzimmer „massenhaft“ herstellte. Dort wie mit den „soft sculptures“ – Badewannen, Schreibmaschinen und Ventilatoren – blieb er nah am täglichen Leben des Publikums. Diese Arbeiten gelten heute als erste Skulpturen der Pop-Art.
In New York, wo Oldenburg bis zuletzt hauptsächlich lebte und arbeitete, war er auch Jim Dine und Allan Kaprow begegnet. Gemeinsam versuchten sie, das aus ihrer Sicht verkrustete Denken der Abstrakten Expressionisten aus der vorigen Generation zu durchbrechen. Auch Yoko Ono, Robert Rauschenberg, Jasper Johns und Andy Warhol lernte Oldenburg hier kennen.
Mit zunehmender Bekanntheit wuchsen auch Oldenburgs Skulpturen. Der massive Lippenstift auf einem Kettenfahrzeug auf dem Yale-Campus und die gewaltige Wäscheklammer „Clothespin“ in Philadelphia (beide 1976) waren erste Arbeiten unter freiem Himmel.
Mehrfacher documenta-Künstler
Oldenburg blieb in seinen Arbeiten nicht auf cooler Distanz wie Warhol oder Lichtenstein und brachte Gedankengänge von Surrealisten wie René Magritte und Salvador Dalí zu Ende: Er blies eigentlich kleine, alltägliche Dinge in Übergröße auf, setzte sie in eine Landschaft und damit in eine Umgebung, der sie völlig fremd waren – wie Billardkugeln an einem Gewässer der Innenstadt. Die bekannteste dieser Arbeiten ist die mit Van Bruggen entwickelte „Spoonbridge and Cherry“, ein Löffel für Giganten samt Kirsche, der heute zu den Symbolen der Stadt Minneapolis zählt. Aber, merkte Oldenburg 2015 an, „eine kleine Skulptur kann genauso mächtig sein wie eine große“.
Die Kunstwelt empfing ihn mit Begeisterung. In Kassel haute der mehrfache documenta-Künstler eine zwölf Meter hohe Spitzhacke in das Fulda-Ufer. In Frankfurt war es eine fast so hohe Krawatte, in Köln eine Eistüte und in Freiburg ein Wasserhahn mit Schlauch. Und in Münster die Billardkugeln.
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