Kreuzviertelfest
Urlaubsgefühl im eigenen Viertel
Münster
Sommerliche Temperaturen und Tausende Besucher haben das Kreuzviertelfest am Samstag bis tief in die Nacht zu einer großen Sause werden lassen.
Als David Rauterberg Irene Caras „What a Feeling“ zu Beginn des Rudelsingens anstimmt, ist das am Samstagabend ein Moment, wie gemacht für den Höhepunkt eines Viertelfests. Vor der Bühne stehen sie Mann an Mann, Frau an Frau, Student an Pensionär.
Selbst die Damen und Herren hinter den Biertheken und an den Zapfanlagen singen und tanzen mit. Und doch resümiert Eva-Maria Husemeyer, Vorsitzende des Vereins Kreuzvierteler Geschäftsleute, am Morgen danach: „Das Rudelsingen war erst der Anfang – ein fantastischer Abend.“
Reichlich Betrieb bis in die Nacht hinein
Übertrieben ist das nicht, bis in die Nacht hinein tobt auf der kleinen, mit sichtlich viel Liebe gestalteten Meile um die Kreuzkirche das Leben. „Ich bin um 1.45 Uhr gegangen, da war es noch voll“, sagt Husemeyer.
Viele finden an einem Abend, an dem das Kreuzviertel bei sommerlichen Temperaturen zu einem Urlaubsort in der Heimatstadt – im besten Sinne – wird, kein Ende. Dicht gedrängt sitzen die Menschen schon am frühen Abend überall, wo es dazu in dem Treiben die Möglichkeit gibt.
Nicht zuletzt kommt auch das schon traditionell sorgsam ausgewählte Programm gut an. Daran hat im Hintergrund mal wieder Wolfgang Halberscheidt mitgewirkt. Während der Veranstaltung steht Halberscheidt, über zwei Jahrzehnte das Gesicht des Kreuzviertelfests, allerdings nur noch einmal im Fokus.
Auf der Bühne der Hoyastraße wird er unter anderem von Bürgermeisterin Beate Vilhjalmsson offiziell verabschiedet. Mit 66 Jahren will Halberscheidt sich aus Organisation und Moderation zurückzuziehen.
Organisator Wolfgang Halberscheidt
Als er selbst, vermutlich das letzte Mal, auf der Bühne das Mikrofon in die Hand nimmt, denkt Halberscheidt zunächst an all jene, die das Fest zu dem gemacht haben, das es heute ist: „Wir könnten noch so gewieft planen, wenn Sie uns nicht die Treue gehalten hätten“, sagt er unter freundlichem Beispiel.
Halberscheidt aber hat auch weniger süße, dafür umso deutlichere Worte mitgebracht. Er sei müde, sagt er, und fährt fort: „Müde den immer gleichen Protagonisten zu erklären, dass so ein Fest nur mit einer Solidarumlage funktioniert.“
Eva-Husemeyer zeigt dafür am Tag darauf im Gespräch mit unserer Zeitung Verständnis: „Ich kann das nachvollziehen. Es geht darum, dass mancher nicht versteht: Wenn man der Gemeinschaft etwas Gutes tut, kommt das auch zu einem zurück.“ Und sie ergänzt: „Aber ich habe mich ein bisschen damit abgefunden.“
Südliches Flair
Für die meisten Gäste ist diese Thematik freilich Nebensache. Als das Kreuzviertel gegen Abend zu Florenz, Bilbao und Nizza wird, bestimmen ganz offensichtlich fröhlichere Themen die Gespräche.
„Wir sind angetreten, um zu zeigen, dass das Viertel nicht alt und verstaubt ist“, sagt Husemeyer und weiß, dass diese Mission einmal mehr erfolgreich ist. „Es gibt Menschen, die planen ihren Urlaub um unser Fest“, sagt die Vorsitzende merklich stolz.
Bleibt die Frage: Warum überhaupt in die Ferne schweifen, wenn das Gute doch so nahe liegt? Und das nicht nur an einem Samstagabend. „Heute wird es sicher wieder genauso voll“, sagt Husemeyer schon früh am Sonntag. Sie behält Recht.
Zum Thema
2020 findet das 32. Kreuzviertelfest am 22. und 23. August statt.
Kommentar: Beispielhaft schön
Nein, der August ist in Münster wahrlich nicht arm an Festen. Wer möchte, der kann an jedem Wochenende irgendwo auf den Straßen der Stadt feiern. Allein mit Hammer-Straßen-Fest und „Münster Mittendrin“ ist die Musik zweier Veranstaltungsgiganten gefühlt gerade erst verstummt. Doch auch wenn das Kreuzviertelfest schon alleine räumlich viel kleiner ist – von diesem Event lässt sich lernen.
Die Anbieter sind vielleicht weniger, dafür vielschichtiger. Das Essensangebot an den Buden ist nicht auf die Massen, dafür aber auf das weniger Alltägliche abgestimmt. Kombiniert mit der eh schon vielschichtigen Gastronomie vor Ort, wirkt das Fest an der einen oder anderen Stelle einfach etwas liebevoller, als man das sonst so gewohnt ist.
Wer es schafft, auf so engem Raum wie dem um die Kreuzkirche für ein Wochenende so viel zu schaffen, dem gebührt nicht nur Respekt, der verdient auch Unterstützung. Vielleicht sollte so mancher darüber noch einmal nachdenken. (Björn Meyer)
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