Langzeitwohnen im Kettelerheim
Bischof-Hermann-Stiftung: Der Weg in ein besseres Leben
Münster
Es gibt Menschen, deren Lebensweg von Anfang an schwierig läuft. Dazu gehört Jürgen Jendraczyk. Im Langzeitwohnen in der Bischof-Hermann-Stiftung lernte er erstmals, was es bedeutet Vertrauen zu können. Und noch einiges mehr.
Seine familiäre Vorbelastung ließ ihm kaum eine Chance: Der Lebensweg von Jürgen Jendraczyk führte ihn in die Obdachlosigkeit. Als er vor 40 Jahren das erste Mal in eine Unterkunft der Bischof-Hermann-Stiftung kam, änderte sich seine Situation nachhaltig. Er brauchte aber etwas Zeit, um diesen „Himmel auf Erden“ zu verstehen, wie es in einem Text der Bischof-Hermann-Stiftung heißt.
Vertrauen – darum dreht sich eigentlich alles in seinem Leben. Jürgen Jendraczyk sagt dieses Wort immer wieder, wenn er von seinem Weg berichtet, der ihn vor 40 Jahren das erste Mal in eine Unterkunft der Bischof-Herman-Stiftung führte. „Kettelerheim“ hieß das Haus für wohnungslose Männer in der Schillerstraße damals noch. Tagelöhner lebten dort, Arbeiter und Auszubildende ohne Unterkunft. Und eben auch Obdachlose.
64 Männer leben im „Langzeitwohnen“
Hier ist er nach vielen Zwischenstationen wieder gelandet. „Langzeitwohnen“ heißt das Angebot der Stiftung heute. 64 Männer leben derzeit hier. Das Konzept hat sich in diesen Jahren weiterentwickelt. Die Bewohner bekommen längst nicht mehr nur ein Dach über den Kopf und Verpflegung. Sie werden medizinisch betreut, haben Sozialarbeiter als Ansprechpartner, bekommen Hilfe im Alltäglichen und bürokratische Unterstützung.
Jendraczyk hat ein eigenes Zimmer mit Balkon. Er hat es so eingerichtet, dass es zu ihm passt: Fernseher, Schal vom FC Bayern und einige Schwert-Attrappen an der Wand. Die Zeit mit den echten Kampfwerkzeugen hat er hinter sich gelassen. „Sie waren Ausdruck meines Misstrauens“, sagt er.
Das Vertrauen in Menschen hat Jendraczyk nie richtig entwickeln können.
Seinen Vater lernte er nie kennen. Seine Mutter war mit der Versorgung der acht Kinder überfordert. Kinderheime in ganz Deutschland wurden sein Zuhause. „Ich war aggressiv und gewalttätig“, sagt der 61-Jährige. Mit 16 Jahren kam er ins Martini-Stift in Nottuln, eine Wohneinrichtung für Jugendliche aus prekären Lebenssituationen.
Die Polizei brachte ihn ins Kettlerheim
„Von dort aus ging ich auf die Reise“, sagt Jendraczyk. Mit dieser „Reise“ meinte er seine Stationen als Volljähriger auf der Straße in Münster. Die Polizei brachte ihn irgendwann ins Kettelerheim. Von dem Zeitpunkt im Jahr 1980 an lernt er etwas kennen, das er nie gekannt hatte: „Menschen, die nichts von mir erwarteten, sondern von denen ich etwas erwarten durfte.“ Er hatte das Misstrauen der Straße mitgebracht. In seiner neuen Unterkunft löst sich dieses Gefühl allmählich. Er bekam Unterstützung beim Aufbau einer Alltagsstruktur, erlebte Freizeitaktivitäten, übernahm kleine Aufgaben, fuhr mit Betreuern und anderen Bewohnern das erste Mal in Urlaub. Es war der „Himmel auf Erden“, sagt er. „Ich kam das erste Mal in meinem Leben zur Ruhe.“ Und er konnte eine Perspektive aufbauen. Er fand einen Job in einem Holzwerk, zog mit einem Kollegen in eine eigene Wohnung.
Nur wenige Bewohner gehen in ein komplett geregeltes Leben
Der Kontakt zur Bischof-Herman-Stiftung blieb. „Nach meinen Krankenhaus-Aufenthalten brauchte ich besondere Unterstützung.“ Die Stiftung gab ihm die Möglichkeit, in einer betreuten Wohngruppe in Coerde einzuziehen. Bis er 2018 wieder in die Schillerstraße zog. „Weil ich im Langzeitwohnen mit meinem Herzschrittmacher intensiver betreut werden konnte.“ Hildegard Kortenjann kümmert sich hier als Krankenschwester um die Bewohner. Nur wenige von ihnen gehen irgendwann in ein komplett selbst geregeltes Leben. Viele werden in andere Versorgungsmodelle geführt. Andere bleiben bis zum Lebensende in den Einrichtungen der Bischof-Hermann-Stiftung.
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