Katastrophaler Brut-Jahrgang 2016
Weniger Singvögel: Stummer Frühling im Winter
Münster
In diesem Jahr gibt es so wenig Vögel – stimmt dieser Eindruck? Er stimmt. Der Naturschutzbund macht dafür den schlechten Brut-Jahrgang 2016 sowie den Rückgang von Lebensraum und Insekten verantwortlich.
„Du hast ja eine Meise“ ist zumindest in diesem Winter eher als Kompliment aufzufassen: An den Futterhäuschen im heimischen Garten werden nur noch sehr vereinzelt gefiederte Besucher gesichtet. Beim Naturschutzbund Münster befürchtet man schon einen „stummen Frühling“.
Nabu-Sprecherin Karin Rietmann: „Uns erreichen täglich mehrere besorgte Anrufe, weil in den Wohngebieten kaum noch Singvögel zu sehen sind.“
Eine Ursache ist offenbar die schlechte Brutsaison 2016. „Nässe und Kälte im Frühjahr sind zahlreichen Jungvögeln zum Verhängnis geworden“, so Ornithologe Heinz Kowalski.
Ausfall eines Meisen-Jahrgangs
Wegen der wenig frühlingshaften Witterung gab es in der ersten Jahreshälfte 2016 auch deutlich weniger Insekten. Vögel, die nicht an der Kälte gestorben sind, mussten nach Einschätzung des Nabu schlichtweg verhungern.
Viele Gartenbesitzer haben im Herbst beim Reinigen ihrer Nistkästen tote Jungvögel oder gar nicht erst ausgebrütete Eier gefunden; nicht nur für Vogelschützer „ein echtes Drama“, so Kowalski.
Besonders betroffen sind die Meisen. Sie brüten in der Regel nur einmal und haben dann bis zu 15 Jungtiere, von denen selbst in guten Jahren nur wenige durchkommen. Durch den Ausfall der kompletten Brut 2016 fehlt quasi ein kompletter Meisen-Jahrgang.
Baumordnung für Münster
Ein weiterer Grund für den Rückgang der heimischen Vogelpopulation liegt laut Nabu am menschlichen Umgang mit der Natur. Peter Hlubek, Vogelschutz-Experte beim münsterischen Naturschutzbund, beklagt das „ungebremste Baumsägen in Münster“. Beispielsweise an der Piusallee, entlang dem Ausbau von Kanal und Umgehungsstraße B 51 sowie überall dort, wo Neubaugebiete entstehen, würden die als Lebens- und Wohnraum für heimische Vogelarten lebenswichtigen Bäume verschwinden.
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Hlubek will deshalb jetzt in Münster eine Baumordnung auf den Weg bringen, die „das ständige Abholzen“ zumindest eindämmen soll. Erste Gespräche mit Oberbürgermeister Markus Lewe habe es bereits gegeben, so der Nabu-Fachmann.
Auch das Verschwinden von Wiesen und Blütenfeldern sei ein Problem, weil so die Zahl der Fluginsekten als wichtigstes Nahrungsmittel für Vögel „dramatisch zurück gehe“. Hlubek: „Wir brauchen ein Umdenken, auch bei den Landwirten.“
Drei Fragen an: Nabu-Vogelexperte Peter Hlubek
Macht es Sinn, die Vögel ganzjährig zu füttern, damit es wieder mehr gefiederte Freunde gibt?
Hlubek: Nein. Im Frühjahr müssen die Vögel Insekten als Hauptnahrung und zur Fütterung ihrer Brut haben. Brot und Kuchen sind nicht gesund und wären tödlich für den Nachwuchs.
Was soll jetzt gefüttert werden?
Hlubek: Das im Handel erhältliche Weich- und Kernfutter ist okay. Bitte keine Meisenknödel oder Kerne in Nylonbeuteln auf hängen. Die Vögel verheddern sich und reißen sich ein Bein raus. Nistkästen bitte im Winter hängen lassen, sie sind Nachtschlafplätze der Vögel.
Wann wird wieder
Hlubek: Vom 6. bis 8. Januar sollte jeder eine Stunde lang die Wintervögel in seinem Garten zählen. So kann die Bestandsentwicklung erfasst werden. Näheres gibt es auf der NABU-Internetseite.
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