Münsters Wirtschaft ringt um Auszubildende
„Wir brauchen junge Menschen“
Münster
Die Corona-Krise verhagelt offenbar jungen Menschen die Lust, sich auf die Suche nach einem Ausbildungsplatz zu begeben. Auch viele Ausbildungsbetriebe blicken sorgenvoll in die Zukunft. Kein Grund, die Ausbildung zu vernachlässigen, betont der städtische „Krisenstab Wirtschaft“.
Vor Corona wurden Auszubildende händeringend gesucht. Und nach Corona werden Auszubildende händeringend gesucht. „Jedem ist klar, dass der Fachkräftemangel durch Corona nicht gebremst wird“, betont Joachim Fahnemann, der Leiter der Agentur für Arbeit Ahlen-Münster.
Aber mitten in der Krise gibt es offenbar massive Unsicherheit. Darunter leiden die Chefs und die Azubis gleichermaßen – eben weil nicht ganz sicher ist, wie es mit der Firma, mit dem Beruf, mit der Ausbildung weitergeht. Die Unruhe ist verständlich, allerdings auch eine schlechte Ratgeberin. Denn vieles, da stimmt die Expertenrunde, die sich am Mittwochnachmittag bei „Fahrrad XXL Hürter“ versammelt hat, weitgehend überein, ist reine Psychologie.
Ausbildungsbeginn bis Jahresende
Für die Auszubildenden sagt es Joachim Fahnemann so: „Ich bin zuversichtlich, dass es gelingen kann, eine Ausbildung zu beginnen.“ Vielleicht nicht mehr zum 1. September, aber doch bis Ende des Jahres. Da seien alle Beteiligten mittlerweile sehr flexibel. In Münster gebe es derzeit noch 650 offene Ausbildungsplätze – und 350 junge Menschen auf der Suche. Da geht noch was.
Jacob Reichel kann das bestätigen. Der 16-Jährige hatte seinen Ausbildungsvertrag zum „Zweiradmechatroniker Fahrradtechnik“ gerade unterschrieben, als der Lockdown begann. „Das war schon gewöhnungsbedürftig“, sagt er. In der Werkstatt wurde zwar noch gearbeitet, aber die Frage „Klappt es noch mit der Ausbildung?“ war allgegenwärtig. Nur vier Mitschüler aus seiner Abschlussklasse hätten sich deshalb in der Corona-Krise für eine Ausbildung entschieden – alle anderen gehen jetzt zur weiterführenden Schule. Und damit vermeintlich auf Nummer Sicher.
Den Kontakt zu jungen Leuten nicht verlieren.
Das tut weh, man sieht es Thomas Banasiewicz von der Handwerkskammer förmlich an. Handwerk und Industrie bemühten sich, auf allen Kanälen den Kontakt zu den jungen Leuten zu halten, berichtet er. In normalen Zeiten nutzte man dafür Jobmessen, Ausbildungsinitiativen und die Vermittlung der Schulen. Mittlerweile läuft zwar vieles online und telefonisch – aber das scheint ausgerechnet für junge Leute eine gewisse Hemmschwelle zu sein. Nicht beirren lassen, rät Jacob Reichel deshalb. Einfach bei der Arbeits-Agentur, der Handwerkskammer oder der IHK anrufen: „Die helfen immer.“
Die Stadt koordiniert das Zusammenfinden von Unternehmen und Auszubildenden im Rahmen ihrer Möglichkeiten, wie Oberbürgermeister Markus Lewe betont. Stadtkämmerin Christine Zeller leitet den städtischen „Krisenstab Wirtschaft“, der sich seit Beginn der Corona-Krise auch um Ausbildungsfragen kümmert. Wobei natürlich ein Fokus auf besonders betroffene Branchen wie Gastronomie, Tourismus, Kultur und Einzelhandel gelegt werde. „Die Betriebe wollen nach wie vor ausbilden“, ist Joachim Fahnemann überzeugt.
Das gilt auch für die boomende Fahrradbranche, sagt Peter Hürter. Er sei froh, mit Arpine Sergoyan eine Auszubildende zur Einzelhandelskauffrau gewonnen zu haben. Selbstverständlich ist das nicht: „Wir haben im kaufmännischen Bereich keine einzige Bewerbung.“
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