WN-Spendenaktion: Näherinnen
Nähen – bis die Hände taub sind
Münster
Was bedeutet es, in einer Textilfabrik in Nicaragua zu arbeiten? Im Rahmen der WN-Spendenaktion stellt die Christliche Initiative Romero vier Frauen vor, die von ihrem Schicksal berichten.
Die in Münster ansässige Christliche Initiative Romero hält seit Jahrzehnten Kontakt zu Frauen in Mittelamerika, die in großen Textilfabriken arbeiten. Auf Bitten unserer Zeitung hat Referentin Felizia Göltenboth einmal exemplarische Informationen, Zitate und Fotos von vier Frauen aus Nicaragua zusammengestellt, die sich auskennen mit dem harten Leben als unterbezahlte Näherinnen. Hier vier Schicksale:
Brenda López Martínez
Brenda López Martínez ist 40 Jahre alt, lebt in der Stadt Masaya, hat vier Kinder und arbeitete seit dem 18. Lebensjahr in der Fabrik. Aus gesundheitlichen Gründen geht das jetzt nicht mehr. „Ich musste täglich 300, 400 teilweise bis zu 500 Kleidungsstücke überprüfen, sie genau anschauen und die Mängel beseitigen. Heute kann ich deswegen kaum noch sehen. Das ganze Betrachten der Farben hat mich quasi blind werden lassen.” Als sie arbeitsunfähig wurde, hat sich weder das Unternehmen noch eine staatliche Stelle um sie gekümmert. „Sie haben mich nicht angerufen, mich nicht untersucht.“ Unangenehme Erinnerungen hat sie an eine frühere Chefin, die die Arbeiterinnen regelmäßig angeschrien habe. „Es gab Frauen, die vor Angst am ganzen Körper zitterten.“
María Soza Rugama
María Soza Rugama ist 45 Jahre alt und arbeitet seit dem 21. Lebensjahr als Näherin. Die Belastung spürt sie an jedem Tag: „Ich kann weder schwer tragen noch lange Distanzen laufen. Ich ertrage es einfach nicht.“ Trotz der schlechten Bezahlung und der Entbehrungen sieht sie keine Alternative: „Wenn wir gehen, dann werden sie uns nicht bezahlen. Wir müssen so lange durchhalten, wie wir nur können.“
Vier Projekte, ein Konto
Jasura Altamirano Osorio
Jasura Altamirano Osorio aus der Stadt Tipitapa ist 37 Jahre alt, dreifache Mutter und arbeitete 18 Jahre lang in einer Textilfabrik. Eines Tages forderte die Arbeit ihren Tribut: „Ich konnte nicht schlafen, weil meine Hände begannen, sich zu entzünden, taub zu werden und sich wie eingeschlafen anzufühlen.“ Dann geriet sie in Streit mit ihrem Arbeitgeber, da ihr Sohn erkrankte und sie sich um ihn kümmern wollte. „Sie sagten mir, ich solle für die Zeit kündigen und dann wiederkommen.” Das war der Moment, als Osorio sich entschied, sich gewerkschaftlich zu engagieren. Das Ergebnis: „Ich wurde gefeuert, mit der Begründung, streitsüchtig zu sein.”
Reina Isabel Morán
Reina Isabel Morán, 50 Jahre alt, aus der Stadt Jinotega bekam ebenfalls Ärger: „Obwohl ich regulär von 7 Uhr morgens bis 5 Uhr nachmittags arbeitete, musste ich andauernd Überstunden leisten. Offiziell waren diese nicht verpflichtend, aber falls wir uns weigerten, missfiel dies den asiatischen Chefs.“ Über die großen Textilfirmen sagt sie: „Sie haben vergessen, wessen Hände ihnen ihren Reichtum bringen.“
Mit dem Erlös aus der WN-Spendenaktion unterstützt die Christliche Initiative Romero die gewerkschaftliche Arbeit in mittelamerikanischen Textilfabriken und richtet Notfallfonds für Arbeiterinnen ein.