Streit um Wilhelm II.
Die Namensdebatte an der Uni Münster: Chronik der Ereignisse
Münster
Der Name, den die Uni Münster seit 1902 trug, war vielen Menschen seit Jahren ein Dorn im Auge. Die Debatte über eine Namensänderung geht weit zurück. Wir blicken zurück.
Seit mehr als 25 Jahren wurde diskutiert: Soll die Westfälische Wilhelms-Universität (WWU) ihren Namen behalten? Benannt ist die Hochschule nach Kaiser Wilhelm II., der für seinen Hang zum Kolonialismus und Antisemitismus bekannt war.
Die Namensdebatte rund um die WWU hat insbesondere in den vergangenen zwei Jahren Fahrt aufgenommen. Wir stellen die Chronik der Ereignisse rund um die Debatte dar.
1996: Namensstreit um WWU entzündet sich
Der Namensstreit rund um die Westfälische Wilhelms Universität in Münster schwelte untergründig schon länger – 1996 entzündete sich die Debatte jedoch. Neben einer Kommission wurde in diesem Jahr auch eine Arbeitsgruppe gegründet, die sich des Themas annehmen sollte. Das Fazit: Kaiser Wilhelm II. sei zwar „überaus militaristisch und nationalistisch, antislawisch und geradezu obsessiv antisemitisch“ gewesen, jedoch sollte die seit 1907 nach ihm benannte WWU nicht die Person Kaiser Wilhelm II, sondern den Stifter ehren, der die frühere königlich-preußische „Akademie“ in den Rang einer Universität erhoben hatte. Die Namensdebatte wurde 1997 durch einen Beschluss des Uni-Rektorats vorerst beendet.
2018: Name der Uni Münster steht erneut zur Debatte
22 Jahre später flammte die Namensdebatte rund um die WWU erneut auf. Eine neu gegründete Arbeitsgruppe schien jedoch kein großes Interesse zu wecken: Als der Senat in seiner Sitzung die Einrichtung des Arbeitskreises beschlossen hatte, die sich mit der Person und der historischen Bedeutung Wilhelm II. befassen sollte, gab es keinerlei Diskussionsbedarf. Die zuvor von drei Studenten und einer Studentin gegründete Arbeitsgruppe strebte keine Namensänderung an, vielmehr sollte ein verantwortungsvoller Umgang der Uni Münster mit dem Namenspatron entwickelt werden.
2020: Weichenstellung für die Namensdebatte an der WWU
2020 beschließt der Senat der Universität Münster ein neues Maßnahmenpaket. Dieses beinhaltete unter anderem eine Ausstellung in Zusammenarbeit mit dem Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sowie eine Diskussionsreihe, bei der erörtert werden sollte, inwiefern die Hohenzollern dem Nationalsozialismus Vorschub geleistet haben. Zudem wurden auf der Homepage der WWU kritische Hinweise zu Wilhelm II. verankert und am Uni-Gebäude auf dem Schlossplatz Infotafeln zu seiner Person angebracht. Das Maßnahmenpaket sollte die Weichen für die Debatte rund um Wilhelm II. in den darauffolgenden Jahren stellen und wurde vom AStA wohlwollend aufgenommen.
2021: Podiumsdiskussion zum Thema Wilhelm II.
Anfang 2021 stellte die WWU eine wissenschaftliche Mitarbeiterin ein, die das im Vorjahr gestartete Maßnahmenpaket leiten sollte. Mitte Februar tagte zudem erstmals ein neunköpfiger wissenschaftlicher Beirat zu dem Thema. Im Juni organisierte die Uni Münster eine Online-Podiumsdiskussion mit mehreren Professoren, an der auch ein Journalist der „FAZ“ teilnahm. Die Corona-Pandemie bremste die Geschwindigkeit der Namensdebatte seit 2020 jedoch etwas aus.
April bis Juni 2022: Namensdebatte nimmt wieder Fahrt auf
Im April wurde im Senat der Uni Münster ein Zwischenstand der Namensdebatte präsentiert. Die darin enthaltenen zentralen Fragen lauteten: „Was bedeutet es, wenn wir uns auf Wilhelm II. beziehen?“ und „Ehrt die Universität mit ihrem Namenspatron nicht nur Kaiser Wilhelm II. als Förderer von Wissenschaft und Technik, sondern macht sich auch seine imperialen Ideen, seinen Militarismus, Antisemitismus und seine Demokratieverachtung zu eigen?“ Zwei Monate später gelangte die Debatte um den Namensgeber in Form einer Ausstellung erstmals an die Öffentlichkeit:
Dezember 2022: Podiumsdiskussion zur Namensdebatte an der Uni
In einer Podiumsdiskussion Anfang Dezember 2022 wurde eine neue Phase der Entscheidungsfindung rund um den Namen der WWU eingeleitet. Das Meinungsbild war eindeutig: Argumente für die Beibehaltung des Namens der Uni Münster gab es keine. Dr. Eckhard Kluth, Leiter der Kustodie der WWU, der den Diskurs rund um die Namensgebung der Uni bis dahin organisiert hatte, zog in einem Interview Bilanz über die bisherige Debatte:
Januar 2023: Namensdebatte an der WWU geht in die heiße Phase
Anfang 2023 diskutierte der Senat der Uni Münster intern den Abschlussbericht zur Namensdebatte. Dr. Eckhard Kluth präsentierte in der Sitzung den zwölfseitigen Bericht, in dem die öffentlichen Veranstaltungen und wissenschaftlichen Untersuchungen der vergangenen zwei Jahre zusammengefasst waren. Der Leiter der Uni-Kustodie stellte klar, dass der Bericht einen „Abwägungsprozess“ darstelle. In einer nicht-öffentlichen Senatsdebatte wurden daraufhin zwei wegweisende Entscheidungen getroffen:
Februar 2023: Geplanter Name sorgt für gemischte Reaktionen
Der Senat hatte im Januar beschlossen, am 5. April über den neuen Namen der WWU zu entscheiden. Klar war auch, dass die Namensänderung die Uni Münster einiges kosten würde. Denn mit dem neuen Namen müssten auch zahlreiche neue Anschaffungen getätigt werden: vom Kauf neuer Stühle bis hin zur Bearbeitung der Homepage sowie der Briefbögen. Bei den Menschen in Münster stieß der potenziell neue Name „Universität Münster“ auf gemischte Gefühle:
März 2023: Diskussionen über den richtigen Namen
Der März 2023 war geprägt von Diskussionen um den richtigen Namen für die Uni Münster. Im Schloss mehrten sich die Briefe, die appellierten, den Begriff „westfälisch“ beizubehalten. Prominente Befürworter dieser Variante waren der Landschaftsverband Westfalen Lippe, der Sparkassenverband Westfalen-Lippe, der Westfälische Heimatbund, die Wirtschaftliche Gesellschaft für Westfalen und Lippe, die Stiftung Westfalen-Initiative sowie der Westfalen e.V.
In einem Münster-Barometer sprachen sich fast 45 Prozent der Befragten für den Namen „Universität Münster“ aus, 19,8 Prozent präferierten einen weiteren Namenszusatz, während fast 36 Prozent der Befragten den Namen „Westfälische Wilhelms-Universität“ gerne behalten hätten. Die Entscheidung fällt der Senat endgültig am 5. April.
5. April 2023: Senat fällt Entscheidung über neuen Namen
In einer Sitzung fällte der Senat der Uni Münster endgültig die Entscheidung: Kaiser Wilhelm II. soll ab sofort nicht mehr Namensgeber der Hochschule sein. Ab sofort wird die ehemalige WWU schlicht „Universität Münster“ heißen. Damit setzte sich der Senat über die Appelle hinweg, das Attribut „westfälisch“ im Namen beizubehalten. Dies hatten unter anderem der Landschaftsverband Westfalen-Lippe (LWL) sowie Einzelpersonen gefordert.