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Vor jeder Sitzung Zwetschgen zwitschern

„Zungenbrecher – die Geste des Sprechens“ von Friederike Koch und Christof Debler

Münster

Es gibt solches und solches Lachen. Friederike Koch und Christof Debler sorgen für die menschlichstes Form: ein humanistische Lachen. Über Fehler, Schwächen, Unzulänglichkeiten. Und alle lachen mit. Anrührend, herrlich, verbindend. Für das Video-Projekt „Zungenbrecher – Geste des Sprechens“ ließen die Amerikanerin und der Deutsche über 50 Münsteraner schwierige Sätze aus ihren jeweiligen Muttersprachen aufsagen – von Albanisch bis Vietnamesisch.

Gerhard H. Kock

Die Sitzsäcke wurden zu Lachsäcken: „Zungenbrecher“ am Aasee rührte an alles Allzumenschliche. Foto: Gunnar A. Pier

Koch und Debler haben die Aufnahmen in einer Weise zusammengestellt, das der 40-minütige Film einen Rhythmus bekommt – optisch wie akustisch. Dadurch wird das Erlebnis kein alberner Schenkelklopfer-Spaß, sondern ein berührendes Erlebnis, weil auch die Mühen des Sprechens sichtbar werden, die Verzweiflung über die Eigenwilligkeit von Hirn und Zunge.

Die Menschlichkeit dieser Geste des Sprechens zeigt sich auch in der Mimik. Die rollenden Augen, der Stoßseufzer, das verlegene Lachen zeigen das Scheitern auf sympathische und empathische Weise. Und erst die strahlenden Augen, wenn es geklappt zu haben scheint, was bei den fremdsprachigen Zungenbrechern natürlich nicht ersichtlich ist. Macht aber nix, weil sich Sprecher und Zuhörer eben gerade deshalb ohne gesprochene Sprache verstehen, weil jeder in seiner Sprache aus eigener Erfahrung Versprecher kennt. Das verbindet ungemein auf so fröhliche Weise. Da zappelt und zischelt die Zunge, da plappern und blubbern die Lippen, dass es eine wahre Freude ist. Es gibt Passagen mit Legato und solche mit Stakkato, die Melodien sind mal harmonisch, mal kakophonisch. Vielfalt halt.

Die Geste dieses Sprechens ist ausdrücklich ein Statement gegen Rassismus und Ausgrenzung. Vielleicht sollten „Zungenbrecher“ vor jeder Sitzung eines politischen Gremiums gespielt und danach mit jeweils eigener Zunge nachgeahmt werden, damit die Mächtigen in sich das Verbindende spüren: ihre Begrenztheit und die Verletzlichkeit der Menschen, über die sie walten.

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