Der Nabu lädt ein
Die Vogel-Volkszählung
Münster
Eine Stunde lang sollen Vogelfreunde von Freitag bis Sonntag genau hinsehen, wie viele und welche Vögel sich in ihrem Garten oder im Park nebenan tummeln. An der siebten bundesweiten Zählaktion der Naturschutzorganisation Nabu „Stunde der Wintervögel“ beteiligen sich auch in Nordrhein-Westfalen jedes Jahr Tausende, wie der Naturschutzbund mitteilt.
Die große Mitmachaktion könne „ein sinnvolles Frühwarnsystem sein und Menschen für den dramatischen Artenschwund sensibilisieren“, sagte Johannes Kamp, Landschaftsökologe und Vogelkundler der Universität Münster, der Deutschen Presse-Agentur. Online oder per Meldebogen können sie dann ihre Beobachtungen an den Nabu melden. Die wachsende Datenbank soll helfen, schleichende Veränderungen in der Vogelwelt zu dokumentieren und Schwankungen festzustellen.
„Wir beobachten in den letzten zehn Jahren, dass wir bei früher häufigen Arten große Mengen verloren haben“, erläutert Vogelkundler Kamp. Ein Beispiel sei der früher noch weit verbreitete Star. Obwohl er ein Zugvogel ist, lassen sich im Münsterland regelmäßig Exemplare entdecken. Sie stammen oft aus dem Norden, etwa Russland.
Der Star wird seltener
Aus deren Perspektive ist auch das Münsterland schon Süden. War der Star früher laut Kamp in fast jedem Garten zu finden, schaffte er es in den letzten sechs Jahren nur einmal unter die Top 10 der am häufigsten beobachteten Arten. 2016 konnte er nur in knapp sechs Prozent der Gärten beobachtet werden. Zum Vergleich: Amsel, Blau- und Kohlmeise kamen auf Werte über 80 Prozent.
Schwerpunkt liegt auf Gartenvögeln
Die ganze Bandbreite des Artenschwundes könne die Zählung jedoch nicht erfassen, weil sie einen Schwerpunkt auf Gartenvögel setze. „In Siedlungen treten überwiegend häufige und wenig anspruchsvolle Arten auf“, sagt Kamp. Amseln, Meisen und Spatzen bleiben wahrscheinlich häufige Gäste an den winterlichen Futterhäuschen – Schwankungen nicht ausgeschlossen. „Was uns besonders Sorgen macht, sind die großen Bestandseinbrüche bei den Vogelarten aus dem ländlichen Raum.“
Lebensraum wird knapp
Den Hauptgrund sieht Kamp in der intensiven landwirtschaftlichen Nutzung immer größerer Flächen und dem Einsatz hochwirksamer Pestizide zur Insektenbekämpfung. Ohne Insekten breche für viele Vögel die Nahrungsgrundlage ein. „Die Feldlerche und der Kiebitz waren in NRW früher auf jedem Acker zu Hause“, berichtet Kamp. Inzwischen ständen beide auf der roten Liste.
Kopf-an-Kopf-Rennen von Amsel, Meise und Spatz
► Amsel, Kohl- und Blaumeise sowie Spatz kommen in den Gärten in Nordrhein-Westfalen am häufigsten vor. In Berlin ist der Spatz mit Abstand der häufigste Vertreter am Futterhäuschen.
► Typisch für Nordrhein-Westfalen ist eine hohe Zahl an Sittichen, die vor allem am Rhein gemeldet werden. Exoten wie der Halsbandsittich aus Afrika haben in den milden Wintern der letzten Jahre ihre Populationen stabilisiert.
► Meistens beteiligen sich über 10 000 Menschen an der Vogelzählaktion des Nabu. Je besser das Wetter ist, desto mehr wird gezählt.
► Auf dem Land werden mehr Vögel pro Garten gezählt als in den Ballungsgebieten. In Essen sind es seit Jahren 0,75 bis 1,5 Vögel pro Garten, in Westfalen mehr als drei.lnw
„Es gibt in unserer Landschaft nur noch wenige unaufgeräumte Flächen“, kritisiert Kamp. Wo Randstreifen mit Ackerunkraut umgepflügt und jede Nische für die Landwirtschaft genutzt werden, fehle es an Futter und Nistplätzen. Auch in den Wohnbereichen schwinde der Lebensraum: „Siedlungen werden immer steriler. Da sieht man eher Kies und Thujahecken statt Blumenwiesen oder Gemüseanbau.“
Immer weniger Singvögel
In diesem Jahr gibt es so wenig Vögel – stimmt dieser Eindruck? Er stimmt. Der Naturschutzbund macht dafür den schlechten Brut-Jahrgang 2016 sowie den Rückgang von Lebensraum und Insekten verantwortlich.
Auswirkungen auf das menschliche Wohlbefinden
Die Folgen des Artenschwundes sind schwer abzusehen. Jeder Einbruch im Ökosystem könne es weiter aus dem Gleichgewicht bringen: „So sind Singvögel wichtig für die Schädlingskontrolle. Ohne sie müssen wieder mehr Pestizide eingesetzt werden“, sagt Kamp. Er sieht auch einen Einfluss einer vitalen Artenvielfalt in der Vogelwelt auf den Menschen. So zeigten Studien, dass das Wohlbefinden in einer Landschaft mit vielen Singvögeln höher sei als in Landschaften mit geringerer Artenvielfalt. So werde auch er am Wochenende wohl genau hinsehen und dem Nabu melden, welche Vögel er entdecken kann.
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