Lebensgefährliches Esszimmer
Greifvögel haben die Autobahn als Mittagstisch entdeckt
Münster
Manchmal sitzen sie auf Pöhlen entlang der Autobahn. Öfter aber kleben sie auf dem Asphalt der Autobahnen. Der Mäusebussard hat die Autobahn als eines seiner Lieblingsreviere entdeckt. „Die viel befahrenen Straßen sind für ihn wie ein gedeckter Tisch“, sagt Aline Reinhard vom Nabu in Münster. Aber für den Luxus bezahlen viele einen hohen Preis – mit ihrem Leben.
Der Mäusebussarde ist der häufigste Greifvogel in NRW. Er benötigt einerseits Wälder zum Brüten, andererseits offene Landschaften für die Jagd nach Mäusen, Maulwürfen, Kaninchen, Junghasen oder Amphibien. Der Vogel ist ein „Opportunist“, wie Vogelkundler sagen, sucht also Möglichkeiten, sich den Bauch vollzuschlagen, ohne zu viel Energie zu verwenden. Da wird die Autobahn sein Esszimmer.
Anders als viele andere Straßen, die Tiere als durchaus hilfreiche Partner in ihrem Leben erkannt haben. Das Internet zeigt Videos von Krähen, die Walnüsse auf die Straße werfen, um sie von Autoreifen knacken zu lassen. Schwalben benutzen Steinchen oder Sand als Material für ihre Nester, Schlangen wärmen sich auf erhitztem Asphalt auf. Die Autobahn jedoch ist für solche Vergnügen der denkbar ungeeignetste Ort. Die Geschwindigkeiten dort sind so hoch, dass die Vögel sie nicht richtig einschätzen können.
Trotz der Verluste ist der Bussard durch die Todesfälle nicht in seinem Bestand bedroht. Ganz im Gegenteil: Laut Brutvogelatlas NRW aus dem Jahr 2013 gab es von 2005 bis 2009 in NRW 9000 bis 14.000 Paare des „Buteo buteo“. Und: „Ein weiterer Zuwachs scheint vor allem noch in den verstädterten Regionen möglich, wo der Mäusebussard immer häufiger innerhalb der Städte in Parks, auf Friedhöfen oder Industriebrachen anzutreffen ist“, heißt es in dem Papier.
Serie "Leben auf der Autobahn"
Diese Geschichte ist der Auftakt einer neuen Serie: Die Autobahn ist schon lange kein reiner Verkehrsweg mehr. Nicht umsonst wird sie gerne als Lebensader bezeichnet. Tatsächlich ist nicht nur auf, sondern auch neben und unter den Straßen mehr los, als man sich vorstellen kann. Darum werden wir in den kommenden Wochen die Autobahn als Lebensraum für Menschen, Pflanzen und Tiere in seinen verschiedenen Facetten vorstellen.
Für Straßen-NRW spielt die Entsorgung von Fuchs-, Igel- oder Bussardkadavern keine Rolle. „Das geht seinen natürlichen Gang. Dafür wird keiner eine Autobahn sperren, sagt Gerd Dahmen von Straßen-NRW. „Die Tierreste landen in der Regel am Straßenrand und gehen in den natürlichen Kreislauf über“. Anders sei das bei Wildschweinen oder Rehen, durch die der Verkehr gefährdet werden könnte. „Dann fahren wir raus und transportieren die ab.“
vom Nabu geht davon aus, dass es nicht nur Vögel erwischt, die Aas fressen, sondern auch Bussarde, die am Straßenrand auf Beute warten und dabei vom Sog der Autos erfasst werden. Die Straßenränder sind ein lukratives Revier. Und auch die Böschungen mit ihrer niedrig gehaltenen Vegetation sind für die Tiere attraktiv, weil sie dort ihre Beute besser sehen können.
Dass die Autobahn aber ein regelrechtes Zuhause der Greifvögel wird, glaubt Aline Reinhard nicht. Abgase, Lärm, Müll, all das verhindert, dass sie ein dauerhafter Lebensraum für den Bussard sein könnte.
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