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Gronau

Bis zur Ekelgrenze ?

„Ekelgrenze“. „Luftwäscher“. – Wer in die Debatte um Tiermastanlagen eintaucht, bekommt es mit seltsamen Begriffen zu tun. Begriffe, über die nachzudenken sich lohnt.

wn

Nur mit großen Ställen lässt sich heute noch Geld verdienen, heißt es aus der Landwirtschaft. Das mag stimmen, aber unabänderlich ist dieser Zustand nicht. Das zeigen Gegenbeispiele in der Region. Foto: H. Schwarze-Blanke

Die Bezeichnung „Ekelgrenze“ fiel jüngst in einer Verhandlung beim Verwaltungsgericht in Münster. Dort hatte ein Reiterhofbetreiber aus Alstätte dagegen geklagt, dass auf einem Nachbargrundstück ein Schweinemaststall für 330 Tiere gebaut werden darf. Der Gestank vertreibe die Kundschaft, beklagte der Mann. Dafür hatte die Vorsitzende Richterin durchaus Verständnis. Doch das war für die juristische Beurteilung nicht relevant. Es gebe Urteile von Kollegen, nach denen Menschen, die in Außenbereichen leben – insbesondere wenn sie selbst Tiere halten –, eine Geruchsbelästigung „bis an die Ekelgrenze“ erdulden müssten. Also müsse der Alstätter auch erdulden, dass es – statistisch gesehen – auf seinem Grundstück an bis zu sechs von 24 Stunden des Tages stinke. Hat er damit noch Glück, weil das ja noch ein gutes Stück von der Ekelgrenze weg ist? Und wenn das, was aus dem Stall rauskommt, schon ekelerregend stinkt, wie riecht es dann im Stall? Andere Tiere, ähnliche Probleme: Im zweiten Anlauf hat der Gronauer Stadtrat in seiner jüngsten Sitzung das gemeindliche Einvernehmen für die Erweiterung einer Hähnchenmastanlage erteilt. In den erweiterten Mastställen können dann 200 000 (!) Hähnchen gehalten werden. Ein Argument für den städtischen Segen zum Projekt: Das Unternehmen werde zusätzliche „Luftwäscher“ einbauen. Wo Tausende Hähnchen zusammengepfercht werden, muss also hinterher sogar die Luft „gewaschen“ werden? Nimmt man die Begriffe ernst, dann sind dies zwei weitere Perlen auf einer langen Argumentationskette gegen Massentierhaltung. Aber bewirken Argumente in der Debatte irgendwas? Wer etwas ändern will, der muss bei sich selbst anfangen. Das gilt für die Landwirte ebenso wie für Politiker und vor allem für die Konsumenten. Wir sind dem Markt unterworfen, wehren Landwirte und Produzenten ab. Ist das so? Biobauern wie Maria Büning mit ihrem Arche- und Naturlandhof in Laer oder Johannes Hillmann in Schöppingen zeigen, dass es auch anders geht; und die Bio-Molkerei Söbbeke in Epe ist auch nicht dafür bekannt, rote Zahlen zu schreiben – obwohl ihre Produkte bei keinem Discounter angeboten werden. Wir können uns die teuren Bioprodukte nicht leisten, klagen die Konsumenten. Aber billige Lebensmittel haben auch ihren Preis: Zum Beispiel Mastanlagen, für die man Luftwäscher braucht, damit sie halbwegs zu ertragen sind, und Geruchsbelästigung, schlimmstenfalls bis an die Ekelgrenze. Jeder, der es fragwürdig findet, wenn 200 000 Hähnchen in einem Stall gehalten werden, und lieber „echte Mistkratzer“ auf dem Teller habe möchte – wie Alfred Biolek es mal formuliert hat –, muss auch bereit sein, dafür einen höheren Preis zu zahlen. Es muss ja nicht jeden Tag Fleisch sein – Spaghetti mit selbst gekochter Tomatensoße oder ein deftiger Wirsingeintopf mit gutem Brot dazu machen auch satt – und sind obendrein auch noch schweinelecker! Frank Zimmermann

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