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Beim Essen geht‘s um Leben und Tod

Fleisch ist ein Stück . . . ?

Lebenskraft! Konnten Sie den Werbespruch der Centralen Marketing-Agentur (CMA) auch problemlos vervollständigen? Ein schönes Beispiel für die Macht der Werbung. Und ein Grund dafür, warum es so schwer ist, an dieser Grundhaltung etwas zu ändern. Warum wir das tun sollten? Ein paar Gründe fallen mir da schon ein . . .

Frank Zimmermann

In der Adventszeit hat mich das Thema sowohl beruflich als auch privat beschäftigt. Der Eperaner Florian Wielens hat mir von seiner Umstellung auf vegane Ernährung erzählt und mir das Rezept für ein veganes Weihnachtsmenü geschickt. In der Facebook-Gruppe „Du kommst aus Gronau wenn . . .“ habe ich mit großem Interesse eine Diskussion darüber verfolgt, welche Bezugsquellen es in Gronau für „gutes Fleisch“ gibt. Schon bei der Frage, was „gutes“ Fleisch ist, gingen die Meinungen weit auseinander. Und bei der Grundsatzentscheidung, ob man überhaupt noch Fleisch essen sollte erst recht. Für mein „Adventsstück“ – haben Sie vielleicht gestern gelesen – habe ich mich daran erinnert, wie das in meiner Kindheit mit dem Fleischverzehr war. Und auch bei der Menüplanung für die Weihnachtstage war das Thema natürlich präsent.

Sehr beeindruckt haben mich auch – wieder mal – Bilder, die in einem Schweinestall im Südwesten Niedersachsens, also hier in der Region, entstanden sind und die am Samstag unter anderem in der ARD in den „Tagesthemen“ zu sehen waren. Die Nachricht: Jedes fünfte Schwein, das für die Fleischproduktion geboren wurde, erreicht nicht das Ende der sechs bis sieben Monate Mastzeit, sondern muss schon vorher notgetötet werden. Dann wurden Bilder gezeigt, vor denen der Moderator vorab ausdrücklich warnte. Der Mäster und ein Mitarbeiter versuchen „schwache“ Schweine per Genickbruch zu töten, indem sie sie an den Hinterbeinen packen und mit dem Genick auf eine Metallkante schleudern. Die Tiere überleben zunächst, ihre Schreie füllen den Stall, ihre Leiber zittern im Todeskampf. Lapidare Erklärung des Landwirts: Man habe das Bolzenschussgerät verlegt und es deshalb mit dieser Methode „von früher“ versucht. Bilder, an die man leider denken muss, wenn man am Heiligabend billige Bockwürstchen zum Kartoffelsalat isst . . .

Sind Sie noch bei mir? Prima. Dann haben Sie jetzt auch das Schlimmste überstanden. Ich habe Ihnen das zugemutet, weil ich gerade jetzt zu Weihnachten noch mal unser aller Blick dafür schärfen möchte, was in unserer Sprache schon drinsteckt. Wir müssen Sie nur wieder beim Wort nehmen. Lebensmittel sind Mittel, die wir fürs (Über-)Leben brauchen. Sie entstammen in den allermeisten Fällen aber auch dem Kreislauf des Lebens. Denn nicht nur tierische Produkte, sondern auch Pflanzen und deren Lebensgrundlage – die Böden, die Luft, das Wasser – sind es ja, die uns am Leben halten. Sie zu schützen, pfleglich und respektvoll mit ihnen umzugehen, ist deshalb tatsächlich eine Frage von Leben und Tod.

Lebensmittel sollten preiswert sein – und das bedeutet eben nicht billig. Vielmehr sollte der Preis ihren Wert widerspiegeln. Dass soll im Umkehrschluss nicht heißen, dass sich nur noch beziehungsweise wieder nur die reichen Menschen gutes Essen leisten können sollen. Im Gegenteil: Wir sollten mit allen Lebensmitteln – und also letztlich mit der Erde – so umgehen, dass sie für möglichst alle Menschen reichen. In unserer Gesellschaft sind die aller meisten Menschen aber längst so satt, dass der Handel und die Lebensmittelindustrie uns mit immer neuen Angeboten und neuen Produkten zum Konsum animieren will, um noch mehr Geld zu verdienen. Dadurch haben Lebensmittel in unserem Alltag häufig den Status eines Luxusguts verloren. Wir sparen an unserem Essen, damit wir uns den vermeintlich wahren Luxus leisten können. Der besteht – je nach Geschmack – aus Markenklamotten, Technikspielzeug, teuren Autos, Geschmeide oder was weiß ich noch. Dazu passt die Logik, dass immer mehr Lebensmittel so stark verarbeitet und vorbereitet verkauft werden, dass wir sie nur noch warm machen müssen. So sparen wir nicht nur Geld, sondern auch noch Zeit. Wir verlieren aber auch den Respekt vor unseren Lebensmitteln und viele sinnliche Erfahrungen.

Wenn Sie den ein oder anderen Gedanken dieses Blickpunkts im Hinterkopf behalten, während Sie an den Weihnachtstagen das Festessen genießen, mir wäre es eine schöne Bescherung. Frohe Weihnachten!

Was ist Ihre Meinung? Schreiben Sie uns gerne! WN, Redaktion, Hofkamp 8a, 48599 Gronau oder redaktion.gro @wn.de

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