Eichenprozessionsspinner bekämpfen?
Bakterium mit Nebenwirkungen
Ascheberg/Herbern
Eichenprozessionsspinner - seit dem Sommer 2018 gehen den Menschen diese acht Silben wie selbstverständlich über die Zunge. Soll er jetzt früher bekämpft werden oder müssen die Menschen lernen, mit ihm und seinen Härchen zu leben?
Eichenprozessionsspinner - seit dem Sommer 2018 gehen den Menschen diese acht Silben wie selbstverständlich über die Zunge. Im dritten Larvenstadium bildet die Raupe auf dem Weg zum Schmetterling Härchen aus, die beim Berühren der Menschenhaut Probleme bereiten. Deswegen waren Schädlingsbekämpfer und Gartenbauer im Frühsommer fast rund um die Uhr damit beschäftigt, Nester zu beseitigen. Ein teures Vergnügen. Und die Auftragslage war kaum zu bewältigen. „Das Telefon stand nicht mehr still. Wir waren Tag und Nacht im Einsatz“, erinnert sich Berthold Angelkort, Schädlingsbekämpfer von der Herberner Lindenstraße, an die heiße Phase.
Dass der Eichenprozessionsspinner so massiv auftrat, war für viele Menschen neu und die Sorgen und Ängste lösten einen Hype aus. Weil die Auftragslage aber kaum abzuarbeiten war, wurden nicht alle Nester beseitigt. In der Gemeinde Ascheberg war das Herberner Unternehmen beispielsweise bei Kindergärten und Schulen im Einsatz - an der Profilschule war wegen gefundener Nester sogar nach Rückfrage beim gemeindlichen Ordnungs- und beim Kreisgesundheitsamt schulfrei. Im Außenbereich bleib es bei Warnhinweisen, die der Bauhof aufhängte. Denn im Umgang mit dem Eichenprozessionsspinner müssen Mensch und Tier - Hunde bei herabgefallenen Nestern - lernen, sie nicht anzufassen. „Im weiteren Verlauf des Sommers ist es deutlich ruhiger geworden“, hat Angelkort beobachtet.
Kreis rät von Prophylaxe ab
„Wir werden den Eichenprozessionsspinner nicht ausrotten können. Ihn zu bekämpfen ist ein völlig aussichtsloses Unterfangen“, sagt Hermann Grömping von der unteren Naturschutzbehörde im Kreis Coesfeld. Die Konsequenz aus seiner Sicht: „Wir müssen lernen, damit zu leben. Wir müssen beispielsweise Kindern beibringen, dass sie nicht mit einem Stock in die Nester stochern.“Im vergangenen Jahr habe der mediale Hype in keinem Verhältnis zu den Vorkommnissen gestanden. Es sei zwar immer von der Gefahr die Rede gewesen, nicht aber von ernsthaften Erkrankungen.Weil beim Einsatz eines Pflanzenschutzmittels nicht nur der Eichenprozessionsspinner betroffen ist, sondern auch andere Insekten, hat die Naturschutzbehörde des Kreises Coesfeld den Kommunen geraten, von dieser Art der prophylaktischen Bekämpfung abzusehen.
Der Fachmann aus Herbern weiß, dass es wenigstens zwei Möglichkeiten gibt, den Eichenprozessionsspinner zu bekämpfen. Neben dem Beseitigen von Nestern, was im vergangenen Jahr die übliche Praxis war, ist es in den ersten beiden Stadien des Larvenwachstums möglich, „Bacillus thuringiensis“ einzusetzen. „Das Pflanzenschutzmittel ist seit 60 Jahren zugelassen und natürlich, weil es eben ein Bakterium ist“, erklärt Angelkort. Eingesetzt werden kann es, wenn die Eichen ein „gutes, grünes Blatt“ gebildet haben, also je nach dem Entwicklungsstand der Natur ab etwa Mitte April. Das ausgesprühte Mittel benetzt die Blätter. Sobald die Larven die Blätter fressen, werden im Darm der Larve Toxine frei. Die Larve wird in ihrem Entwicklungszustand gestört und getötet. Früher wurden im Münsterland großflächig Hubschrauber eingesetzt. Ab diesem Jahr darf es auf diese Weise nicht mehr eingesetzt werden, da das Mittel auch andere Pflanzen trifft und alle Schmetterlingsraupen abgetötet würden.
Das ist auch das Konfliktfeld rund um eine professionelle Baumspritze, deren Einsatz der Schädlingsbekämpfer anbietet. Sie ermöglicht es, das Mittel direkt vom Boden aus auszubringen. Wer dieses Angebot nutzt, kann im Vergleich mit dem Beseitigen von Nestern von deutlich geringeren Kosten ausgehen. „Sie liegen bei zehn bis 20 Prozent“, glaubt Angelkort. Potenzielle Auftraggeber müssen diesen Zwiespalt für sich auflösen: Das günstige Beseitigen hat zur Folge, dass auch andere Schmetterlingsarten betroffen sind. Angelkorts Empfehlung: „Ich würde es dort einsetzen, wo junge und alte Menschen sind, an Schulen und Kindergärten zum Beispiel. Das sind die Orte, an denen wir im Vorjahr unterwegs waren und Nester beseitigt haben. Da ist der Rasen oft kurz und leben ohnehin nur wenige Tiere.“
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