Holocaust und Zivilcourage: Neuntklässler in den Niederlanden
Auf den Spuren von Johanna Reis
Havixbeck
Wie fühlt es sich an, jahrelang eingesperrt zu sein? Zwei Klasssen der Anne-Frank-Geamtschule waren jetzt im niederländischen Winterswijk, um den Spuren Annies nachzugehen, die in Wirklichkeit Johanna Reis hieß.
Wie fühlt es sich an, jahrelang eingesperrt zu sein? In der von Nationalsozialisten besetzten Heimat dürfen die jüdischen Geschwister Annie und ihre Schwester Sini niemals Fangen spielen. Sonne und Wolken sehen sie nur durch eine Fensterscheibe. Jede hörbare Lebensäußerung könnte ihr Todesurteil bedeuten.
Damit Geschichten wie diese nicht vergessen werden, gibt es für Neuntklässler an der Anne-Frank-Gesamtschule den „Tag der Erinnerung“. In diesem Jahr fuhren zwei Klassen ins niederländische Winterswijk, um den Spuren Annies nachzugehen, die in Wirklichkeit Johanna Reis hieß und in dem Roman „Und im Fenster der Himmel“ ihre Geschichte erzählt.
Zweieinhalb Jahre auf dem Dachboden
Gemeinsam mit Klassenlehrerin Carola Terhürne und Deutschlehrerin Franziska Dittert lasen die Jugendlichen im Vorfeld Auszüge aus dem Roman und wandelten im Rahmen einer Stadtführung auf den Spuren der Autorin, die sich als Kind zweieinhalb Jahre lang auf dem Dachboden eines Bauernhofes verstecken musste.
Was eine jüdische Synagoge von einer christlichen Kirche unterscheidet, erfuhren die Schülerinnen und Schüler anschließend. In der örtlichen Synagoge durften die Klassen unter anderem heilige Thora-Rollen aus der Nähe betrachten, wohingegen die Parallelklassen im „Untertaucher Museum“ in Aalten Einblick in das tägliche Leben von niederländischen Bürgern unter deutscher Besatzung gewannen. „Obwohl in dem kleinen Ort nur 13.000 Menschen lebten, waren dort etwa 2500 Geflüchtete versteckt“, wird einer der begleitenden Klassenlehrer, Nikolaus Streibert, im Pressebericht der Schule zitiert.
Wie beängstigend eng die Verstecke waren, erlebten einige Schüler hautnah. „Unter anderem sind neun Schüler in einen kleinen Hohlraum unter einem Dachgiebel gekrochen, keine fünf Minuten hielten sie es dort aus“, so Streibert. Ein Workshop gab den Schülerinnen und Schülern zudem Gelegenheit, sich ganz praktisch mit Verfolgung und Zivilcourage auseinanderzusetzen. „Wie hättest du dich entschieden, wenn du damals gelebt hättest“, lautete die – schwierige – Frage, die Anlass zur Diskussion bot.
Schule gegen Rassismus
„Als „Schule gegen Rassismus“ ist es uns besonders wichtig, dass der Holocaust nicht in Vergessenheit gerät“, erklärt Terhürne. „In direkter Auseinandersetzung lässt sich Verfolgung und Gewalt gegen Minderheiten besonders gut nachvollziehen. Toleranz und Hilfsbereitschaft wird durch solch lebensnahe Auseinandersetzung besonders eindrucksvoll vermittelt.“
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