Anne-Frank-Gesamtschule: Schiedsmann informiert Streitschlichter
Menschen zusammenzuführen
Havixbeck
An der Anne-Frank-Gesamtschule gibt es sie schon länger: Schüler, die als Streitschlichter fungieren. Nun bekamen die wertvolle Tipps vom Profi. Der erfahrene Schiedsmann Volker Christoph sprach aus der Praxis – und am Ende eine Einladung aus.
„Stellt euch vor, Frau Revering und ich sind Nachbarn. Wir verstehen uns nicht, sie hat recht, und ich habe recht. Zusammen müssen wir einen gemeinsamen Nenner finden.” Zum Beispiel, wenn es darum geht, dass der Nachbar mit seinem Auto die Ausfahrt blockiert. Oder wenn ein Baum von einem Grundstück aufs andere hinüber wächst. „Da kann es zu einem Vergleich kommen, etwa, indem überhängende Äste abgeschnitten werden.“
Volker Christoph ist Vorsitzender der Bezirksvereinigung Münster im Bund Deutscher Schiedsmänner und Schiedsfrauen (BDS). In seinem Wohnort Nottuln hat er viele Nachbarschaftsstreitigkeiten klären können. Mit den Streitschlichterinnen und Streitschlichtern der Anne-Frank-Gesamtschule (AFG), die Streitschlichten als berufsvorbereitenden Wahlpflichtkurs belegen, hat er etwas gemeinsam: „Wenn die Fronten verhärtet sind, sorgen wir für Verständigung.“ Damit dies in Zukunft noch besser gelingt, gab der passionierte Schiedsmann den Neuntklässlerinnen und Neuntklässlern Tipps aus der Praxis.
Es wird zu viel auf Defizite statt auf Stärken geschaut
Die Grundeinstellung allein sei schon bedeutsam: „Jeder von euch ist ein ganz toller Mensch. Aber auf die Stärken zu sehen, haben wir in unserem System oft nicht gelernt.“ Stattdessen werde kritisiert oder von Defiziten gesprochen. Christoph selbst hat seine Stärken in einem halbjährigen persönlichen Coaching analysieren lassen. „Damals war ich als Verkaufsleiter in Europa für dermatologische Produkte im Management aktiv.“ Die Coaching-Ausbildung habe ihn nicht nur persönlich bereichert, sondern auch für beruflichen Erfolg gesorgt. „Ich habe meine Mitarbeitenden gefragt: Was ist dir wichtig? Was möchtest du einsetzen, damit du gut ins Wochenende kommst?“
Volker Christoph
Nach seiner Berufstätigkeit ist der heute 67-Jährige weiter seiner Philosophie gefolgt: „Ich möchte Menschen zusammenführen.“ Für ihn bedeutet das nicht nur, in bürgerlichen Streitfällen nach Kompromissen zu suchen, sondern auch in Zusammenarbeit mit der BVB-Geschäftsstelle Dortmund zwischen gegnerischen Fußballclubs zu vermitteln. Als Fahrdienst bringt er zudem einmal in der Woche Schwerkranke zur Dialyse oder zur Chemotherapie. „Das macht mich zufrieden.“
Unparteilichkeit und Verschwiegenheit sind wichtige Grundsätze
Bezüglich der Vorbereitung auf Auseinandersetzungen mit gegnerischen Parteien sei es wichtig, vorher beide Seiten getrennt voneinander zu befragen. Ein Verfahren, dass er auch den Jugendlichen rät.
Dabei gelten Grundsätze, die auch an der AFG befolgt werden: Freiwilligkeit der Hilfesuchenden, Unparteilichkeit der Schlichtenden und Verschwiegenheit anderen gegenüber. Im Vermittlungsprozess sei es wichtig, ruhig zu bleiben und den anderen die Position des Gegenübers nachvollziehen zu lassen. 80 Prozent aller Fälle könne er auf diese Weise klären und vor einem Gerichtsverfahren bewahren.
Einladung zur Fortbildung
Um die Technik des Streitschlichtens an der Schule zu optimieren, lädt Volker Christoph die Streitschlichter der AFG zum Streitschlichtertag am 5. November ins Stadtweinhaus Münster ein. Themen sind unter anderem Deeskalation, Antidiskriminierung, die Bedeutung von Gestik und Mimik sowie aktives Zuhören.
Lehrerin Alexandra Revering freut sich auf die Weiterbildung: „Mit Menschen aus der Praxis zu sprechen, sich aktiv auszuprobieren, ist eine große Bereicherung. Für die Schülerinnen und Schüler ist es toll zu sehen, dass ihre in der Schule erlernten Fähigkeiten auch für das Erwachsenenleben eine große Rolle spielen.“
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