Lüdinghausen
Auf dem Dachboden versteckt
Lüdinghausen. „Stolpersteine“ sollen erinnern und mahnen. Ein Initiativkreis hat in Lüdinghausen die Idee des Kölner Bildhauers Gunter Demnig aufgegriffen. Er wird am 2. Juni zur Erinnerung an Opfer der NS-Zeit vor deren letzten Wohnstätte...
Lüdinghausen. „Stolpersteine“ sollen erinnern und mahnen. Ein Initiativkreis hat in Lüdinghausen die Idee des Kölner Bildhauers Gunter Demnig aufgegriffen. Er wird am 2. Juni zur Erinnerung an Opfer der NS-Zeit vor deren letzten Wohnstätte Gedenksteine aus Messing ins Gehwegpflaster verlegen. Bärbel Zimmer gehört dem Initiativkreis an. Sie hat die Lebensgeschichte jüdischer Mitbürger erforscht. Heute geht es um Dr. vet. Adolph Strauss, der damals im Haus Olfener Straße 10 wohnte.
Adolph Abraham Strauss, der Bruder von Hugo, lebte in Dortmund, wo er im Alter von 61 Jahren die Kontoristin Margareta Julia Luisa Mühlberg aus Halberstadt am 3. April 1919 heiratete. Die Konfession seiner Frau Margarete ist laut Heiratseintrag evangelisch. Als Trauzeugen zugegen waren der Viehhändler Alexander Strauss, sein Bruder aus Lüdinghausen, und der Kommissionär Isaac Baum aus Dortmund.
Er wurde am 20. Dezember 1858 ebenfalls in Seppenrade geboren. Der große Altersabstand zwischen den Kindern ist wohl dadurch zu erklären, dass einige der Kinder an Krankheiten starben. Adolph hatte Tiermedizin studiert und arbeitete als Tierarzt in Dortmund auf der Rennbahn.
Im Laufe des Krieges kam Adolph Strauss zusammen mit seiner Frau nach Lüdinghausen, und beide zogen zu seinem Bruder in die Olfener Straße 10.
Auf einer Liste vom 31. Oktober 1941 taucht folgender Vermerk auf: „Juden, die in Mischehe lebten: Fehlanzeige.“ Diese Information war jedoch falsch. Adolph und Margareta lebten in einer sogenannten „Mischehe“. Im Januar 1942 wurde auf der Wannseekonferenz – als Grundlage dienten die Nürnberger Gesetze aus dem Jahre 1935 – unter IV.3 die Frage der Mischehen gelöst. Dort heißt es, die Ehen zwischen Volljuden und Deutschblütigen betreffend: „Von Einzelfall zu Einzelfall muss hier entschieden werden, ob der jüdische Teil evakuiert wird, oder ob er unter Berücksichtigung auf die Auswirkung einer solchen Maßnahme auf die deutschen Verwandten dieser Mischehe einem Altersgetto überstellt wird.“
Erst im Jahre 1944, als es in Lüdinghausen schon lange keine Juden mehr gab, tauchte Adolph Strauss nach einer Warnung seines guten Bekannten, dem Lüdinghauser Gustav Peick unter, und wurde von ihm in der Tüllinghofer Straße auf dem Dachboden versteckt. Bis dahin war er durch seine evangelische, „arische“ Frau geschützt. Er musste aus diesem Grund – anders als seine Angehörigen und die übrigen Juden – keinen Judenstern tragen.
Am 30. Juni 1945 ist er wieder offiziell gemeldet in dem ehemals von seinem Bruder Hugo gekauften Haus. Er lebte die letzten Jahre noch in Lüdinghausen, wo er am 10. Januar 1955 starb. Er liegt begraben auf dem alten evangelischen Friedhof zusammen mit seiner Frau, die im Jahr 1963 im Alten- und Pflegeheim St. Lambertus in Ascheberg starb.
Quelle: Ortspolizeibehörde Lüdinghausen
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