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Ewald Frie veröffentlicht Buch über seine Kindheit in Nottuln

Einnerungen machen die Geschichte interessant

Nottuln

Die Nottulner Familie Frie steht im Fokus des Buches "Ein Hof und elf Geschwister". Der Historiker Ewald Frie setzt sich darin mit dem bäuerlichen Leben der Familie und den Erinnerungen seiner Brüder und Schwestern auseinander. Dabei fällt die Bedeutung des Dorfes völlig unterschiedlich aus. 

Von Lena Unterhalt

Mit der Veröffentlichung seines Buches hat Ewald Frie einen Traum verwirklicht. Foto: Fany Fazii

Weißt du noch? – Es sind häufig genau diese drei Worte, mit denen Menschen die Schubladen zu ihren Erinnerungen öffnen. Das Erinnern funktioniert bei jedem Menschen unterschiedlich. Den Historiker Dr. Ewald Frie, Jahrgang 1962, faszinieren besonders die verschiedenen Erinnerungsmuster innerhalb der eigenen Familie. Der heute als Professor für Neuere Geschichte an der Universität Tübingen lehrende und forschende Historiker ist in Nottuln aufgewachsen. Er hat sich der eigenen Familiengeschichte gewidmet und ein „lange gehegtes Projekt“, wie er sagt, endlich verwirklicht. Ewald Frie hat ein Buch geschrieben. „Ein Hof und elf Geschwister – Der stille Abschied vom bäuerlichen Leben“ lautet der Titel des vor kurzem im Verlag C. H. Beck erschienenen Werkes. Auf rund 190 Seiten verknüpft der Autor Familieninterviews mit Recherchen im „Landwirtschaftlichen Wochenblatt“ und Forschungserkenntnissen aus der Agrarsoziologie.

Schon vor einiger Zeit war Frie in Gesprächen mit seinen Geschwistern, die zwischen 1944 und 1969 geboren wurden, auf die unterschiedlichen Erinnerungen an die Kinder- und Jugendzeit auf dem Nottulner Bauernhof aufmerksam geworden. Was fehlte, war die Zeit, sich umfassend mit dieser Erkenntnis auseinanderzusetzen, erzählt er im Gespräch mit der Redaktion. Andere Forschungsprojekte nahmen seine Zeit in Anspruch, bis im Jahr 2020 Archive und Institute ihre Türen schlossen. „Corona hat dann die Zeit geschaffen“, erklärt der gebürtige Nottulner. Wissenschaftliche Arbeiten mussten coronabedingt vertagt werden und Ewald Frie suchte nach einer Beschäftigung.

Lange fehlte die Zeit, um das Projekt umzusetzen

Im August 2020 begann er seine zehn Geschwister, von denen noch einige in Nottuln leben, aufzusuchen und Interviews mit ihnen zu führen. „Ich glaube, da kann ich dir nicht helfen. Mein Leben ist so langweilig“, lautete die Reaktion eines Bruders. „Oberflächlich stimmt das wohl für alle“, gesteht Frie zu. Aber die Art, wie sich jeder von ihnen an die Vergangenheit erinnert, sei es, die die Geschichte der Familie interessant macht. Das Dorf Nottuln zum Beispiel spielt in Fries eigener Erinnerung zunächst eine untergeordnete Rolle. „In das Dorf fuhr man zum Einkaufen und für den Gottesdienst“, erklärt er. Das Leben habe sich überwiegend auf dem Hof abgespielt.

In den 1970er-Jahren – Frie war inzwischen etwa neun Jahre alt – gewann Nottuln für ihn an Relevanz. Er erinnert sich an Radfahrten, Jugendorganisationen und daran, wie schnell die Gemeinde gewachsen sei. Die Erinnerungen der elf Geschwister decken zusammen einen Zeitraum von 25 Jahren ab. Ewald Frie fiel auf, dass das Dorf in der Erinnerung der jüngeren Geschwister eine wesentlich größere Rolle spielt als in der der älteren. Das hänge auch mit Veränderungen in der bäuerlichen Gesellschaft zusammen, erklärt der Historiker. Denn gerade in den frühen Jahren seiner Kindheit seien das Familienleben und der bäuerliche Betrieb untrennbar gewesen. So war der Hof besonders in der Erinnerung der älteren Geschwister sehr dominant. Bei den jüngeren Geschwistern nehme das Dorf immer mehr Raum ein.

Bedeutung des Dorfes nahm im Laufe der Zeit zu

Vor seiner Veröffentlichung haben die Geschwister das Buch gelesen und ihre eigenen Aussagen verifiziert. Frie berichtet von ihrer Reaktion: „Es hat viele Gespräche gegeben.“ Seine Brüder und Schwestern stellten Fragen und tauschten sich auch untereinander über ihre verschiedenen Perspektiven aus.

Aber nicht nur die Familie selbst spricht über das Buch. Literaturkritiker sind begeistert. „Ein wunderbares Buch vom Abschied der bäuerlichen Gesellschaft“, urteilte beispielsweise die Süddeutsche Zeitung. Ewald Frie hat bereits Zuschriften aus dem Münsterland erhalten, in denen Menschen ihre eigenen Erinnerungen mit ihm teilen. Welche Erinnerungen die Geschichte der Familie Frie bei den Nottulnern wachruft, bleibt abzuwarten.

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