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Kabarett: Kunst & Kultur Nottuln macht‘s möglich

Halbes Hähnchen im Gepäck

Nottuln

Gehetzt kam er an. Die Bahn war schuld. Aus ließ er keinen. Selbst sein Publikum nicht. Wer? Arnulf Rating!

Marita Strothe

Nahm sich Politiker aber auch die Handybesitzer im Publikum vor seiner Nase vor: der Kabarettist Arnulf Rating. Foto: Marita Strothe

„Schön, dass Sie da sind, ich hab´mich verspätet!“ Mit seinem Reisegepäck kam Arnulf Rating am Freitagabend auf Einladung des Vereins Kunst & Kultur Nottuln auf die Bühne im Forum des Rupert-Neudeck-Gymnasiums gehetzt. „Ich bin mit dem Zug gekommen“, erklärte der Kabarettist den rund 120 Besuchern, die sein Programm „Tornado“ erleben wollte. „Der Oberleitungsschaden ist einer von vielen“, wies er sie auf die Schäden hin, wegen derer es bei der Bahn zu Störungen kommen könnte.

Selbst zum Essen sei er wegen eines Defektes im Speisewagen nicht gekommen, erklärte Rating und machte sich auf der Bühne erst einmal über ein halbes Hähnchen her. Dabei kritisierte er Massentierhaltung und monierte: „Versuchen Sie mal hier ein Tofu-Schnitzel zu kriegen.“

„Kommen wir mal zu Ihnen“, schwenkte er dann zum Wahlverhalten der Nottulner um. Tatsächlich hatte er die hiesigen Wahlergebnisse der Bundestagswahl dabei und verglich sie mit denen aus Berlin. Mit spitzer Zunge kommentierte er Wahlversprechen und Verhalten der Parteien. In seinem Koffer fand sich neben anderen Zeitungen auch die aktuelle Ausgabe der Westfälischen Nachrichten, mit den gerade neu ausgewählten Ministern der Regierung auf dem Titelblatt.

„Die Fluchtwege werden hier sehr gut ausgebaut“, stellte er beim Blick auf den Bericht im Lokalteil zur Fertigstellung der Umgehungsstraße fest. Etliche Bildzeitungsausgaben boten Rating mit ihren Schlagzeilen überdies viel Stoff zum Hinterfragen. So kam nicht nur Politik an diesem Abend zur Sprache, unter anderem wusste der Kabarettist auch Interessantes aus der Automobilbranche. So sei ja das Emirat Katar Hauptaktionär bei Volkswagen und bekanntlich ja nicht gerade besonders offen für Elektro-Autos.

Zwischendurch verwandelte sich Rating mit blauem Sacko und großer weißer Brille in den „Verkaufsberater Politik“. „Sicheres Auftreten bei vollkommener Ahnungslosigkeit“ demonstrierte er da als dynamischer, hoch motivierter Politiker und schlug vor, die Wähler und Wählerinnen mit dem richtigen Kopfwaschmittel einzuseifen.

Nicht das Beste ist offenbar auch Arnulf Ratings Verhältnis zum Smartphone: „Wir streicheln das häufiger als den lebenden Partner“, stellte er fest und vermutete: „Kurz vor der nächsten Wahl wird die Ehe für alle auf das Smartphone erweitert.“

Psychologisches erklärte Rating mit Hinweis auf Edward Bernays. Der Neffe von Siegmund Freund sei einer der Ersten gewesen, der „die Macht des Unbewussten“ genutzt habe, um die öffentliche Meinung mit „Event-PR“ zu manipulieren, zeigte er mit Werbebildern aus Bernays Zeit. „Und das Verfahren funktioniert“, bewies er mit aktuellen Veröffentlichungen. „Die Wahrheit ist eine Ware“, war sein Resümee des Abends. Auf dem Smartphone, auf dem alle den ganzen Tag wischen würden, sähen die Menschen allerdings nur die Oberfläche.

Mit ganz viel Applaus verabschiedete das begeisterte Publikum den wortgewaltigen, schlagfertigen und originellen Künstler von der Bühne. Dort tauchte er kurz darauf zur Erheiterung der Besucher dann aber noch einmal als Krankenschwester auf. „Was der Rating gesagt hat – vergessen Sie‘s. Ich habe ihm seine Tabletten nicht gegeben!“

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