Alexianer Martinistift Appelhülsen
Jugendliche „mental entgiften“
Appelhülsen
Das Martinistift wird mit dem Daktari-Projekt in Namibia zusammenarbeiten. Geschäftsführer Andreas Schmitz und Sozialpädagoge Albert Rust waren vor Ort.
„Daktari“ ist ein Begriff aus der Bantusprache Swahili. Er bedeutet: Arzt oder Doktor. Hierzulande weckt er Erinnerungen an die Fernsehserie um den Tierarzt Marsh Tracy, seine Tochter Paula und District Officer Hedley, die Ende der 1960er-Jahre – oftmals zum Leidwesen des Familienfriedens – zur selben Zeit wie die Sportschau gesendet wurde.
Andreas Schmitz, kaufmännischer Geschäftsführer vom Alexianer Martinistift, und Sozialpädagoge und Bereichsleiter Albert Rust reisten im Februar nach Namibia, um dort Bekanntschaft mit „Daktari“ zu machen. Nein, Urlaub stand nicht auf der Agenda. Vielmehr wollten sich die Experten für langjährige Jugendhilfe ein Bild verschaffen vom gleichnamigen Projekt, das 250 Kilometer nördlich von Windhoek und 100 Kilometer vom Etoscha-Nationalpark entfernt ist.
Es bietet deutschsprachigen jungen Menschen in Adoleszenzkrisen, mit psychischen Auffälligkeiten oder Suchtproblematik die Möglichkeit, alte und destruktive Lebensstrukturen zu verlassen, Abstand zum familiären und bisherigen sozialen Umfeld zu gewinnen und Ziele neu anzugehen.
Das Projekt trumpft mit seiner 21-jährigen Erfahrung. 1997 gründete die Familie Rüegg diese Einrichtung für tiergestütztes Life-Coaching – inmitten der Natur – aus eigener Betroffenheit.
„Hoch komplizierte Jugendliche können hier ‚mental entgiften‘. Ihr Lebensprogramm, das sie sich drauf geschafft haben, resetten, sich neu sortieren und orientieren“, erklärt Albert Rust.
Das Martinistift bietet 142 stationäre Plätze. Derzeit befinden sich acht Jugendliche in Auslandsmaßnahmen in Spanien, Frankreich, Belgien und den Niederlanden. Von 1990 bis 2011 zählte Namibia auch zu einem dieser Standorte. „Dann aber verloren die deutschsprachigen Projekte ihre Zulassung, weil ihnen Kinderarbeit und die Blockierung von Arbeitsplätzen für Farbige unterstellt wurde“, erklärt Albert Rust. Von einer Kollegin aus dem Süddeutschen erhielt er unlängst den Tipp zum anerkannten Projekt „Daktari“.
„Bevor wir Jugendliche im Ausland unterbringen, schauen wir uns die Einrichtung vorher genau an“, so Andreas Schmitz. Der Eindruck vor Ort war sofort sehr, sehr positiv und „man merkte, dass alle im Team echt mit Herzblut dabei sind“, ergänzt Albert Rust. Ein junger Bewohner aus München versicherte ihnen: „Hier ist es mir echt gelungen, aus meinem alten Sumpf rauszukommen“.
Im Projekt sind nicht Chillen oder „Wildlife Experience“ angesagt, sondern vor allem ein klar strukturierter Tagesablauf, Schule und soziales Engagement. Natürlich können die Jugendlichen auch aus der Maßnahme abhauen. Das macht aber im Outback wenig Sinn. Die nächste Straße ist acht Kilometer entfernt, und Autos fahren dort auch selten. Bei derartigen Ansinnen empfehlen die Pädagogen entspannt: „Vergiss nicht, genügend Wasser mitzunehmen. Und denk daran, dass es früh dunkel wird“.
Vor allem für Jugendliche, die schon eine lange Heimkarriere hinter sich haben und in Gruppen nicht zurechtkommen, „ist das Projekt eine realistische Alternative“, macht Albert Rust deutlich. „Die Betroffenen leiden unter ihrem Verhalten, mit dem sie immer wieder Ablehnung ernten. Jeder möchte Anerkennung und die Chance, positive Erfahrungen zu machen.“
Und wie definiert sich der Erfolg so einer Maßnahme? „Beispielsweise, wenn es einem Jugendlichen gelingt, dort seinen Hauptschulabschluss zu machen“, erklärt Rust mit dem Hinweis darauf, dass Auslandsmaßnahmen nicht teurer sind als Pflegeplätze hierzulande. „Wobei das nicht die Maßgabe ist, sondern eher die individuelle Betreuung.“
Im Februar besuchte er eine junge Frau, die vor 2011 dort über das Martinistift in einer Maßnahme war. Mittlerweile ist sie verheiratet, hat eine Tochter und arbeitet in einem Hotel. Sie konnte ihre Chance nutzen.
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