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2. Nottulner Bildungsforum

Schulsystem stets umstritten

Nottuln

Das 2. Nottulner Bildungsforum bot wieder eine Menge Stoff zum Nachdenken. Das Bildungssystem wurde von hochkarätigen Experten aus unterschiedlichen Perspektiven beleuchtet.

Iris Bergmann

Große Runde für das vom Schlaun Cirkel Nottuln veranstaltete Bildungsforum (v.l.): Barbara Thesing (Leiterin Regionalzentrum Coesfeld Fernuniversität Hagen), Ursula Klee (Leitende Regierungsschuldirektorin Bezirksregierung Münster, Dezernat Gymnasien), Dr. Bernhard Schulze Langenhorst (Vorsitzender Schlaun Cirkel), Dr. Norbert Tiemann (Chefredakteur Westfälische Nachrichten), Prof. Dr. Volker Ladenthin (Bildungswissenschaften Universität Bonn), Dr. Martin R. Textor (Autor, Publizist und Pädagoge) und Peter Silbernagel (Vorsitzender Philologenverband NRW). Foto: Iris Bergmann

„Es geht um eine Balance zwischen Erforderlichem, pädagogisch Verantwortbarem und Leistbarem.“ Peter Silbernagel, Vorsitzender des Philologenverbandes NRW, fasste sein Statement zur Über- und Unterforderung in der Bildung zusammen. Er war einer der fünf hochkarätigen Fachleute, die der Schlaun Cirkel Nottuln zum 2. Nottulner Bildungsforum mit dem Thema „Zwischen Über- und Unterfordung – wird unser Bildungssystem seinen Aufgaben gerecht?“ eingeladen hatte. Zahlreiche Gäste aus Politik, Wirtschaft und Schule waren dazu am Freitagabend in die große Ausstellungshalle des Autohauses Rump gekommen.

Nachdem der Vorsitzende des Schlaun Cirkels, Dr. Bernhard Schulze Langenhorst, und Bürgermeisterin Manuela Mahnke die Anwesenden begrüßt hatten, übernahm der Chefredakteur der Westfälischen Nachrichten, Dr. Norbert Tiemann, die Moderation des Abends.

Dr. Martin R. Textor, Autor, Publizist und Pädagoge, hatte jede Menge Statistik für das Auditorium mitgebracht. Er hatte sich mit Kinderkrippen, Kindergärten und Kitas eingehender beschäftigt und hinterfragt, ob sie ihren Aufgaben gerecht werden. Dazu erläuterte er, wie schwer es sei, im vorherrschenden Betreuungssystem und bei kleineren Kindern herauszufinden, ob sie über- oder unterfordert sind und wie wenig die Wissenschaft bisher überhaupt davon weiß. Und: Früher seien die Kindergärten dazu da gewesen, die Kinder ausschließlich im Sozialverhalten auf die Schule vorzubereiten. Inzwischen „haben sich Kitas zu Bildungseinrichtungen entwickelt“, die immer mehr Bildungsangebote von Philosophie bis hin zu Mathematik anbieten würden.

Prof. Dr. Volker Ladenthin, der einen Lehrstuhl für Bildungswissenschaften an der Universität Bonn hat, beleuchtete die Bildung aus Elternperspektive. „Ihr sollt es mal besser haben.“ – Diesen Satz habe wohl jedes Kind von seinen Eltern gehört, so Ladenthin. Er warnte jedoch davor, den Kindern deshalb jeden Wunsch von den Augen abzulesen. Zu viele Angebote seien eine Überreizung, Spielzeug zum Beispiel verliere seinen Wert, ja das Spielen selbst werde dadurch verlernt. Ein Zuviel erzeuge Resignation oder gar Verlust von Selbstvertrauen. So sei es durchaus sinnvoll, Mußestunden einzulegen oder gar Langeweile aufkommen zu lassen, denn „das macht schöpferisch.“ Vor allem aber forderte er: „Hören Sie ihrem Kind zu, lassen Sie es selbst herausfinden, was gut ist, und werfen Sie ihm auch mal Steine in den Weg!“

Peter Silbernagel ging in seinem Statement unter anderem auf Über- und Unterforderung im stets „umstrittenen Schulsystem in Deutschland“ ein. Einerseits werde „eine Schule für alle“ gefordert, um Bildungschancen unabhängig von der sozialen Herkunft zu ermöglichen, andererseits wolle man ein differenziertes System, das sich an Eignung, Neigung und Befähigung orientiert. Silbernagel spricht von einer Überforderung des Schulsystems, wenn dessen Veränderungen unter ideologischen Vorzeichen stattfinden. Das Gegenteil, nämlich Unterforderung finde statt, wenn versucht werde, die Schulprofile zu glätten und einzuebnen, wie zum Beispiel beim Versuch, sämtliche Bildungsabschlüsse am Gymnasium machen zu können, oder wenn individuelle Förderung so ausgelegt wird, dass jeder dasselbe Niveau erreicht. „Das ist eine Qualitätsminderung.“

Die Leitende Regierungsschuldirektorin der Bezirksregierung Münster, Ursula Klee, kam als ehemalige Gymnasiallehrerin auf ebendiese Schulform zu sprechen. Sie machte deutlich, dass der Schritt der Schulzeitverkürzung von G9 zu G8 viel zu schnell und unvorbereitet erfolgt sei und eine große Belastung sowohl für Lehrer als auch für Schüler dargestellt habe. Die Eltern forderte sie auf, den Grundschullehrern mehr Vertrauen bei der Beurteilung der Kinder bezüglich der weiterführenden Schulen zu schenken.

Eher um Erwachsenenbildung ging es bei Barbara Thesing. Sie ist die Leiterin des Regionalzentrums Coesfeld der Fernuniversität Hagen. Die Referentin stellte kurz die Fernuniversität vor und erläuterte die Motivation der dort Studierenden.

Nach den Statements der Referenten übernahm Dr. Norbert Tiemann in der anschließenden Podiumsrunde die Gesprächsführung und stellte Fragen dahingehend, dass die Experten ihre Meinungen und Erkenntnisse noch einmal vertiefen konnten. Danach holte Tiemann die Zuhörer ins Boot. Hier nutzten vor allem die pädagogisch Arbeitenden die Plattform, ihre Meinungen und praktischen Erfahrungen einzubringen.

„Es wird kein Ergebnis erzielt“, hieß es in der Einladung des Schlaun Cirkels. Und das war auch so. Aber am Ende gab das 2. Nottulner Bildungsforum, mit musikalischer Untermalung von Klaus Pottgießer (Saxofon) und Winne Voget (Klavier), allen die Chance, sich auszutauschen, Impulse zu setzen – und etwas zu lernen.

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