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Vom Sendener Gymnasium zur Sorbonne

Das stille, das andere Paris

Paris

Lisa Bolz hat Paris zu ihrer Wahlheimat gemacht. Die Doktorandin, die in Ottmarsbocholt aufgewachsen ist, beschreibt die Atmosphäre in der Stadt an der Seine: „Es ist unmöglich, einfach so in den Alltag überzugehen.“

Lisa Bolz

In ihrer Wahlheimat Paris arbeitet Lisa Bolz als Wissenschaftlerin: „Es ist unmöglich, einfach so in den Alltag überzugehen.“ Foto: Lisa Bolz

Anders ist es. Doch dieses „Andere“ ist nicht leicht zu fassen. Seit den Anschlägen in Paris haben mich viele Nachrichten, SMS und Anrufe von Freunden und Familienangehörigen erreicht, die mich in Sicherheit wissen wollten. Doch auch Personen, mit denen ich schon länger keinen Kontakt mehr hatte, erkundigten sich, weil sie wussten, dass ich in Paris wohne. Anders ist, dass jedes Gespräch, das eigentlich mit einem unbeschwerten „ça va?“ beginnen sollte, nun mit einem vorsichtig fragenden „ça va?“ startet. Es ist unmöglich, „einfach so“ in den Alltag überzugehen . . .

Lisa Bolz

Denn: Bei jeder Begegnung wird über die Gedanken und Gefühle gesprochen, die uns seit letztem Wochenende umtreiben. Keines der bekanntesten Gebäude der Stadt wurde getroffen, sondern Orte, an denen jeder hätte sein können.

Die verschärften Sicherheitskontrollen in der Stadt sind nicht zu übersehen, sei es am Bahnhof, wo bewaffnete Sicherheitskräfte an den Gleisen auf die ankommenden Züge warten, oder in vielen Geschäften, wo die Taschen der Kunden kontrolliert werden. Und jedes Mal, wenn ich in die Universität oder in die Bibliothek gehe, schaut ein Wachmann am Eingang genau in meine Tasche und überprüft meinen Studierendenausweis.

Anders sind aber vor allem Details im Alltag. Als ich am Montagmorgen nach den Ereignissen mit dem Fahrrad zur Arbeit fuhr, hatte ich das Gefühl, dass alle Verkehrsteilnehmer umsichtiger und weniger ruppig miteinander umgingen. Die kollektive Nachdenklichkeit zeigte sich auch in der Metro, in der zwei lachende Mädchen von den Mitfahrern finster angesehen wurden.

Und die Polizei- und Feuerwehrsirenen, die bereits vorher durch die Stadt rasten, scheinen nun lauter zu sein als vorher.

Anders ist auch auf einmal die Präsenz der Menschen in den Cafés und Bars. Ich kann nicht verhindern, dass ein Gedanke zu den Attentaten huscht, wenn ich an einer Terrasse vorbeigehe. Und auch die Menschen in den Straßen nehme ich viel deutlicher wahr, nicht aus Angst, sondern in dem Bewusstsein, dass uns alle das Entsetzen ob der Ereignisse vereint.

Was in der Stadt alles objektiv „anders“ ist oder nicht, weiß ich nicht, auch nicht, ob die Menschen sich anders verhalten. Vielleicht hat sich auch nur meine Wahrnehmung verändert.

Wie ich die Atmosphäre in Paris beschreiben würde? Still. Nicht aufgrund der Abwesenheit von Menschen, im Gegenteil, so etwas wie ein Alltag ist zurückgekehrt. Es bleibt ja keine andere Wahl. Aber eine innere Stille den Ereignissen gegenüber, denen man mit Worten nicht gerecht werden kann.

Nach Abi in Senden zum Studium an Seine

2008: Abi am Joseph-Haydn-Gymnasium;

2013: Master in Kommunikationswissenschaft (Université Paris-Sorbonne);

seit 2013: deutsch-französisches Promotionsstudium mit einer Arbeit zur Auslandsberichterstattung und internationale Informationsflüsse im 19. Jahrhundert;

seit 2014 wissenschaftliche Mitarbeiterin am Deutschen Historischen Institut Paris (Forschungsinstitut im Verbund der Max Weber Stiftung).

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