Evangelischer Gottesdienst mit Jesiden
Ein Zeichen der Solidarität setzen
Senden
Mit dem ungewöhnlichen Gottesdienst wollte die evangelische Kirchengemeinde ein Zeichen der Solidarität mit den in Senden lebenden Jesiden setzen. Sie schilderten in dem Gotteshaus den Völkermord an ihren Angehörigen im Nordirak.
Als Ekrem Atalan am Sonntag vor die evangelische Kirchengemeinde trat, versuchte er, stark zu sein. Er wollte die Fassung wahren. Seine Worte kamen schleppend. Das Papier in seiner Hand bewegte sich. Er zitterte. Der Vorsitzende des Deutsch-Kurdischen-Freundeskreises in Senden konnte seine Tränen nicht zurück halten. Sie rannten über sein Gesicht. Zu schwer ist das Leid, das er und viele jesidische Familien in der Gemeinde Senden mit tragen müssen. Sie sorgen, bangen und leiden. Ihre Heimat im Nordirak wird von den „Islamischer Staat“-Kämpfern regelrecht entvölkert und vernichtet.
Mit dem Gottesdienst, an dem auch viele Jesiden und Mitglieder des Deutsch-Kurdischen-Freundeskreises teilnahmen, möchte die evangelische Kirche ein Zeichen setzen. „Wir wollen Solidarität in dieser schrecklichen Zeit bekunden“, betonte Pfarrer Stefan Benecke. Man müsse standhaft sein und die Hoffnung nicht fallen lassen. Denn: „Gottes Glaube ist mächtiger als Hass und Verfolgung“, so Benecke zu Beginn des Gottesdienstes. Auch die politische Gemeinde war mit dem stellvertretenden Bürgermeister Alfons Hues sowie Fachbereichsleiter Klaus Gilleßen vertreten.
„Der Gottesdienst war uns ein wichtiges Anliegen“, sagte Heinz-Hermann Haar, Baukirchenmeister und als Presbyter zuständig für die Öffentlichkeitsarbeit in der evangelischen Kirchengemeinde, mit viel Nachdruck. „Es ist nicht immer leicht, als Christ für eine andere Religion zu sprechen, aber es tat gut.“ Haar appellierte in seiner Predigt an die Nächstenliebe und Gastfreundschaft der Christen.
Vor seinen Ausführungen sollte Ekrem Atalan zu Wort kommen. „Ich danke der evangelischen Kirchengemeinde für die Einladung“, so der Vorsitzende des Deutsch-Kurdischen Freundeskreises. Atalan erklärte, dass von einer Millionen Jesiden, die es auf der Welt gebe, 800 000 in Kriegsgebiet Shingal lebten. „Ich habe mit vielen Familien zu tun, die direkte Verwandte im Nordirak haben.“ Er stockte. „Was sie mir erzählen, ist in Worten nicht wiederzugeben.“ Atalan schilderte die Geschichte eines Mädchens aus dem Krisengebiet, das von einer blutgetränkten Heimat sprach. Die 16-Jährige musste zusehen, wie ihre Familie erschossen wurde. Das Mädchen überlebte nur, weil sie unter den Leichen liegen blieb. „Alle Menschen sind Gottes Kinder. Gott hat die Menschen erschaffen, damit wir alle in Frieden zusammen leben“, sagte Atalan.
Die Idee für den Gottesdienst war aus einer Anfrage von Menice Atalan entstanden. „Wir haben den Hilferuf gespürt“, so Presbyterin Sabine Rothermundt, die den gemeinsamen Gottesdienst in der Friedenskirche angeregt hatte. „Wir haben überlegt, was wir machen können, da es in Senden so viele Jesiden gibt“, hob Pfarrer Benecke hervor. „Daraus ist dieser Gottesdienst entstanden.“
Im Anschluss kamen Jesiden und Christen beim Kirchenkaffee im Gemeindezentrum ins Gespräch.
Derzeit sind sechs Mitglieder des Deutsch-Kurdischen Freundeskreises Senden an der Grenze des Nordiraks, um vor Ort humanitäre Hilfe zu leisten. „Das ist aber nur ein Tropfen auf den heißen Stein“, sagte Ekrem Atalan. „Wir brauchen viel mehr Hilfsgüter.“
Heinz-Hermann HaarStartseite