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Poetry Slam Allstars in der Kulturschmiede

Ein Dichterabend der leisen Töne

Greven

Es gibt wenige Kulturformate, die so etwas so gut schaffen wie der Poetry Slam: Umschalten von jetzt auf gleich, von 0 auf 100, von Lachen auf Weinen, von der Liebe zum Tod. Anderswo geht das häufig in die Hose. Am Samstag beim Poetry Slam Allstars war das nicht so.

Jannis Beckermann

Foto: Jannis Beckermann

Es gibt wenige Kulturformate, die so etwas so gut schaffen wie der Poetry Slam: Umschalten von jetzt auf gleich, von 0 auf 100, von Lachen auf Weinen, von der Liebe zum Tod. Anderswo geht das häufig in die Hose. Rahel Babic schreitet jedoch auf die Bühne, und schon nach wenigen Augenblicken kehrt Ruhe ein in der Kulturschmiede, in der gerade noch Witz, Heiterkeit und Gejohle die Stimmung bestimmt haben. Rhythmisch präzise spricht die junge Poetry-Slammerin ihren Text ins Mikro. „Was bedeutet Menschlichkeit, ja Mensch sein für mich?“, fragt sie hauchend in die Stille.

Was folgt, ist ein lyrischer Sprint durch die Vielfalt der Welt. Über ihre Horizonte und Abgründe. „Flüchtlinge in Schiffen versenken, Waffen erschaffen. Liebe geben, Abenteuer erleben.“ Die junge Nordhornerin dichtet einen nachdenklichen Gedanken an den anderen – und sorgt damit für einen jener Momente, in denen man an diesem Samstagabend in den einstigen Industriegemäuern der GBS die imaginäre Stecknadel fallen hören kann, wenn man denn will.

Und ja, das wollen viele bei diesem Slam, der bewegt. Es ist die zweite Ausgabe des Allstar-Treffens, zu dem Moderator Jens Kotalla erstmals vor einem Jahr geladen hatte. Die Kulturschmiede ist auch an diesem Wochenende erneut gut gefüllt.

Kein Wunder, hat der Dichter-Wettstreit in der Emsstadt doch eine treue Fangemeinde, wenn auch für nur noch zwei Slams pro Jahr. „Dafür ballern wir umso intensiver durch den Abend“, verspricht der umtriebige Slammacher gleich zu Beginn ein hochkarätiges Programm.

Und nicht nur der Beitrag von Rahel Babic beweist rasch: Kotalla hält, was er verspricht. Dicht an dicht kämpfen die bei verschiedenen Meisterschaften ausgezeichneten Wortakrobaten um die Gunst des hiesigen Publikums, das per Punktetafeln über das Abschneiden entscheidet.

Dabei ist Poetry Slam jedoch nicht gleich Poetry Slam. Während die Frauen im Starterfeld eher ernste Themen aufgreifen, setzen die beiden Männer in der Viererkonkurrenz primär auf Humor.

Da berichtet beispielsweise der Essener „Christofer mit F“ aus seinem Leben als Latein-Pauker und landet nach einer Party ungewollt mit der Mutter zweier Schülerinnen im Bett.

Woanders wiederum erzählt Florian Stein (aus Bochum) kunstvoll-unterhaltsam verpackt die Geschichte einer Backpacker-Reise, auf der er anfängt, mit Spinnen zu reden. „Und zwar auf einer einsamen Bretter-Toilette am Fuße eines indonesischen Vulkans“, wie er erläutert. Diese ulkige Story kommt an beim Publikum, das Punktetafel um Punktetafel in die Höhe reckt.

Fürs Finale reichen beide Beiträge dennoch nicht. Hier messen sich die beiden Damen des Abends mit gekonnt-leisen Tönen, die dem Programm insgesamt letztlich den Stempel aufdrücken.

So dichtet sich Slammerin Janina Mau unter anderem mit einem Text über Nacktheit in die Endrunde. „Mach dich mal nackig, Diggi, und sei wer du bist!“, ruft sie in die Schmiede, und ergänzt: „Wir kleiden uns so sehr in Fashion und Trends, dass uns keiner mehr erkennt.“

Rahel Babic macht ihren finalen Auftritt derweil zum Plädoyer für Kinderrechte: Sie porträtiert einen Kindersoldaten ebenso wie das Opfer einer Zwangsehe. „Sie will doch so viel lieber Kind sein“, mahnt Babic, „aber Stoß für Stoß dringt er in sie ein.“ Spätestens an dieser Stelle ist es wirklich mucksmäuschenstill.

Als schließlich die Scheinwerfer zur Siegerwertung per Akklamation angehen, kennt der Applaus sowohl für Babic als auch für Mau keine Grenzen. Selbst der Wiederholungstest bringt Moderator Kotalla nicht entscheidend weiter. „Also ein Hippie-Unentschieden“, beschließt er kurzerhand eine Punkteteilung.

Gleich beide Slammerinnen gehen also als Siegerinnen nach Hause und dürfen sich nun „Königinnen“ der „Poetry Slam Allstars“ nennen. Zumindest bis zum nächsten Jahr.

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