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Die Geschichte der Heuerlings-Leute

Knechten für den Bauern?

Greven

Über die Bauern in der Region gibt es viel Literatur. Aber was idst mit den Leuten, die auf den Äckern und in den Ställen geknechtet haben? Darüber haben der Grevener Historiker Dr. Helmut Lensing und der Emsländer Hoferbe Bernd Robben ein Buch geschrieben – mit viel Erfolg.

wn

  Foto: PF

Den harten Alltag der Heuerleute, in vielen Teilen Westfalens auch Kötter genannt, widmet sich ein Buch, in dem die Angehörigen dieser sozialen Schicht, die zwischen den Bauern und ihrem Gesinde anzusiedeln sind, im Mittelpunkt stehen. Im Verbreitungsgebiet des Heuerlingswesens, zwischen der niederländischen Grenze im Westen und Ostwestfalen-Lippe im Osten, ist das Werk zu einem überraschenden Verkaufsschlager avanciert.

„Das Buch trifft einen Nerv der ländlichen Bevölkerung“, berichtet der Emsländer Bernd Robben, einer der beiden Autoren. „Mir als Hoferbe ist erst bewusst geworden, wie Heuerleute angesehen und behandelt wurden, als ich vom Bauerhaus in unser altes Heuerhaus zog – für die Bauern in der Region war dies ein Skandal“. Der Grevener Historiker Dr. Helmut Lensing, der zweite Autor, betont: „Hier wird das Alltagsleben auf dem Lande nicht vorwiegend aus dem Blickwinkel der Bauern gesehen, sondern vor allem das Leben der unterbäuerlichen Schichten geschildert. Offenbar fühlten sich die Heuerlinge und deren Nachfahren in bisherigen Veröffentlichungen mit ihrer Geschichte nicht ausreichend repräsentiert. Gerade unter ihnen ist das Buch sehr begehrt, wie uns die Buchhändler zurückmelden.“

Da die Nachfrage nach dem Buch weiterhin anhält, ist nun eine 5. Auflage gedruckt worden. Textlich weitgehend unverändert, bietet die Neuauflage eine Reihe neuer Illustrationen, so auch aus dem Kreis Steinfurt, denn hier bildete der Altkreis Tecklenburg noch 1946, als sich das Heuerlingswesen schon in Auflösung befand, mit 1563 Heuerlingsfamilien dessen Hochburg im Münsterland.

Jahrzehntelang mieden Heimatvereine und andere Institutionen das Thema, um keinen Streit im Dorf auszulösen, denn die Nachfahren der Kötter und die Bauern beurteilten das Heuerlingssystem sehr kontrovers. Umso überraschter waren der pensionierte Schulleiter und Hoferbe Bernd Robben aus Emsbüren-Gleesen und der Grevener Dr. Helmut Lensing, dass ihr Buch über das Heuerlingswesens im gesamten Nordwesten so stark nachgefragt wird.

Thematisiert wird in ihrem Werk etwa die Wohnsituation der Heuerleute, das entbehrungsreiche Siedeln in Moor und Heide, die Flachsbearbeitung und der Leinenhandel, der Hollandgang, der Töddenhandel, die Auswanderung in die USA, die Suche nach Nebenerwerbsmöglichkeiten, das besonders harte Leben der Heuerlingsfrauen und Mägde, das Aufblühen der Heuerleuteverbände in der Weimarer Republik und der Rückschlag im Dritten Reich. Die Autoren zeichnen ein differenziertes, kein einseitiges Bild von Alltag derjenigen Landbewohner, die nicht über Landbesitz verfügten. Zeitzeugen schildern plastisch den Alltag der ländlichen Unterschichten

Neben den über 300 Illustrationen ist für das Buch charakteristisch, dass in den einzelnen Kapiteln in besonderen Abschnitten eine Reihe von Zeitzeugen zu Wort kommt, beispielsweise der ehemalige Bauernpräsident Konstantin Freiherr von Heereman, eine Emsländerin, die auf einem Heuerlingshof groß wurde und das entbehrungsreiche Leben der Kleinstbauern aus Sicht der Frauen schildert, ein münsterländischer Arzt, der sich auf die Behandlung typischer Heuerlingskrankheiten spezialisierte, ein Industrieheuerling aus dem Kreis Tecklenburg oder ein niederländischer Genealoge, der sich mit den Schicksal der deutschen Wanderarbeiter in unserem westlichen Nachbarland beschäftigt.

Zum Thema

„Betrachtungen und Forschungen zum Heuerlingswesen in Nordwestdeutschland“, ISBN 978-3-9818393-1-9, 24,90 Euro

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