Ohne Entourage und mit Video
Wie katholische und evangelische Kirche Weihnachtsgottesdienste feiern
Greven
Die katholischen und die evangelischen Kirchen haben Weihnachten angesichts der Corona-Pandemie anders gefeiert: In Sankt Martinus mit sehr viel Abstand und Maske, aber auch mit Kommunion und Gesang. Die evangelische Kirche hat derweil Youtube-Videos erstellt.
Heiligabend nachmittags um kurz nach vier. Normalerweise ist das eine wahre „Primetime“ im Gottesdienstkalender. Volle Kirchen, singende Chöre, leuchtende Kinderaugen beim Krippenspiel – so kennen es die meisten auch aus Grevens Kirchengemeinden. Im Corona-Jahr 2020 allerdings ist eben selbst an Weihnachten alles anders.
Als an diesem Heiligabend um kurz nach vier die Glocke neben der Sakristei in Sankt Martinus zum Messbeginn ertönt, schweigen jedenfalls zum Eröffnungslied selbst die wenigen, spärlich gekommenen Gläubigen mit Maske in den Kirchenbänken, die sich vorab einen der raren Gottesdienstplätze gesichert haben.
Nur die vier, fünf Musiker, die die Feier unter Corona-Regeln mitgestalten, dürfen in der sicheren Entfernung der Werktagskapelle in das Lied von der „Heiligsten Nacht“ einstimmen, das der Organist jetzt auf seiner Klaviatur anspielt. So wollen es die Regeln zum Infektionsschutz in der Pandemie.
Währenddessen eilt Pfarrer Klaus Lunemann mit FFP2-Maske allein zu seinem Platz hinterm Altar, um die Messe zu beginnen. Dort angekommen, wirkt er etwas verloren im Weit der kühl daliegenden Stadtkirche, so ganz ohne die gewohnte festliche Entourage aus Messdienern mit Flambeaus und Priesterkollegen im Schlepptau.
Nicht umsonst wird der Martinuspfarrer später am Abend in der Christmette in seiner Predigt von einem Weihnachtsfest sprechen, „das uns wohl noch Jahrzehnte in Erinnerung bleiben wird“, wie es Lunemann formuliert. Die Pandemie als Jahrhundertereignis wie einst die Pest-Zeiten, zieht er einen historischen Vergleich. Mit Superlativen, hat mal eine Journalistenlegende gewarnt, sollte man zwar vorsichtig sein. Sie nutzen sich leicht ab. Aber im Coronawinter 2020 kann man sie dann doch recht problemlos bemühen.
Der Blick einen Kirchturm weiter macht das noch deutlicher. Denn nachdem die evangelische Landeskirche Westfalens eine Absage dringend empfohlen hatte, bleibt die Grevener Christuskirche, in der sich sonst Familien dicht an dicht zum Krippenspiel treffen, ausgerechnet an diesem Heiligen Abend sogar gänzlich geschlossen.
Kein Weihnachtsliedersingen, nicht mal der akribisch geplante Stationengottesdienst unter Corona-Abstandsregeln geht bei den Protestanten zum Fest der Feste über die Bühne. „Das ist wirklich traurig“, macht Pfarrer Jörn Witthinrich am Telefon aus seiner Enttäuschung keinen Hehl, während vor seiner Kirche ein kalter Wind über den verwaisten, verregneten Wilhelmsplatz weht.
Seit er in den Neunzigern als Vikar seinen Dienst für die Kirche begann, hat Witthinrich jedes Jahr vor Gemeinden gestanden, um Christvespern und Weihnachtsandachten mitzugestalten. „Dass das jetzt nur noch übers Internet stattfindet, ist auch für mich persönlich ziemlich ungewohnt“, verweist Witthinrich auf die Youtube-Videos, die er und sein Pfarrteam vorab ins Netz gestellt haben.
Und dennoch: Nur Trübsal blasen, das will der Theologe an diesem Weihnachtsfest dann doch nicht. „Fürchtet euch nicht!“ Die Hoffnungsbotschaft, die die Engel den Hirten bei der Geburt Jesu auf dem Feld bei Bethlehem verkündet hätten, die gelte es jedenfalls gerade in diesen Tagen, in denen die ersten Impfungen gegen das Virus angelaufen sind, zu beherzigen, findet er. Und wer will, kann am Ende ja doch noch kurz für ein individuelles Gebet in seine Kirche kommen. Am zweiten Weihnachtsfeiertag zur sogenannten „offenen Kirche“. Immerhin.
Letzteres ist ein Konzept, das letztlich auch all jene Katholiken etwa in der Josefskirche nutzen, die dann doch lieber, des Infektionsschutzes wegen, die Messe in Präsenz meiden, aber trotzdem auf den Kirchenbesuch nicht vollends verzichten wollen. Einmal kurz die Krippe anschauen, einen „Segen to go“ und ein Fläschchen Weihwasser mit nach Hause nehmen, alles auf Abstand – auch so geht Weihnachten feiern unter Corona.
Zurück im Gottesdienst in der Martinuskirche stimmt der Organist derweil das Schlusslied an. „Stille Nacht, heilige Nacht. Alles schläft, einsam wacht“, heißt es da. Summen. Orgelklänge. Es sind Traditionszeilen, die jeder seit jeher kennt. Und dennoch entfalten sie im Coronajahr 2020 eine besondere Wirkung.
Alles schläft, einsam wacht? Da denkt in diesem Jahr jeder an den Lockdown. Die Bilder geschlossener Geschäfte, verriegelter Schulen und Restaurants. Und auch der Geburtstag ohne den geschätzten Freund aus Kindheitstagen und der einsame Weihnachtsschmaus der Großeltern ohne die geliebten Enkel kommt manch einem in diesem Augenblick in den Sinn.
Im nächsten Jahr, das bleibt die finale Hoffnung, wird es dann wieder anders sein. Weihnachten in vollen Kirchen, mit singenden Chören, mit „Oh du Fröhliche“ beim Krippenspiel. So wie es immer war. Vor Corona.
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