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Bürener Paar erforscht Wrack einer Fähre

Ein Heim für Fische und Schwämme

Lotte/Kilini

Die Bürener Udo und Rose Kefrig haben im August 2015 als eines der ersten Tauchteams überhaupt das Wrack der im Dezember 1989 im Ionischen Meer gesunkenen Fähre „MV Zakynthos“ erforscht.

Angelika Hitzke und Rose Kefrig

Die Kefrigs aus Lotte-Büren sind fasziniert von der Welt unter Wasser. So oft wie möglich tauchen sie irgendwo auf der Welt ab, erkunden Riffe und Wracks und schießen beeindruckende Fotos für Fachzeitschriften. Foto: Udo Kefrig

Am Donnerstag, 28. Dezember 1989, um 16.15 Uhr hatte die 87 Meter lange Fähre den kleinen Hafen von Kilini bei stürmischem Wind und Regen in Richtung Zakynthos verlassen. An Bord neben Kapitän Sabbas Xenofos eine 19-köpfige Mannschaft und die Fahrer von 14 Trucks. Die mit Treibstoff beladenen Tanklastzüge sollen wie üblich einmal die Woche die Inseln mit Sprit versorgen: Routine. Noch ahnt niemand etwas von dem Drama, das sich kurz darauf anbahnt. Nur eine halbe Stunde später erfasst eine schwere Sturmböe das Schiff, die nicht verzurrten Lkw im Laderaum verrutschen, die Fähre bekommt starke Schlagseite. „Geistesgegenwärtig versucht der Kapitän das Schiff nach Kafkalithra, Richtung Festland, zu steuern“, rekonstruiert Rose Kefrig nach dem Studium aller Aufzeichnungen die verhängnisvolle Entwicklung.

Denn um 17.05 Uhr stellt der Kapitän einen Schaden am hydraulischen Ruder fest, auch das manuelle Ruder lässt sich nicht mehr bedienen. Steuerlos treibt das Schiff im aufgewühlten Meer. Die „Dilos“ aus Kilini hat den Notruf gehört und eilt zu Hilfe.

Die verrutschten Trucks sind zum Teil beschädigt und verlieren große Mengen ihrer Treibstoffladung. Damit aus Funken kein Feuer entstehen kann, müssen die Maschinen gestoppt werden. Um 17.15 Uhr gibt Sabbas Xenofos den Befehl zur Evakuierung seiner Fähre.

Da die Rettungsboote wegen der extremen Schräglage nicht einsetzbar sind, müssen sich die Menschen an Bord an Seilen und an der Reling entlang in Richtung Heck hangeln, um zu den aufblasbaren Rettungsflößen zu kommen. Einer der Fahrer springt voller Panik in der Mitte des Schiffes über Bord, unterschätzt aber die Schräglage, landet statt im Wasser mit einem dumpfen Aufprall auf der Bordwand und versinkt, während die anderen ums Überleben kämpfen.

Um 17.40 Uhr erschüttern drei Explosionen das Schiff. Die Wucht der Druckwellen reißt die große Heckklappe ab, der Laderaum, aus dem inzwischen Flammen lodern, füllt sich mit Wasser. Als letzte springen Kapitän und erster Maschinist ins eiskalte Wasser. Die Schiffbrüchigen müssen zusehen, wie die „Zakynthos“ versinkt. Um 19 Uhr werden zunächst die 31 Menschen auf den Flößen von der Besatzung der „Dilos“ im Licht der Suchscheinwerfer entdeckt und gerettet, später auch Kapitän und Maschinist. Nur von dem gesprungenen Lkw-Fahrer fehlt jede Spur. Er wird erst am nächsten Tag geborgen – nicht ertrunken, sondern vom Aufprall getötet.

26 Jahre später suchen nach langer Recherche und Tauchgenehmigung für das Gebiet Dennis und Peter Mohr, Leiter einer Tauchbasis auf Zakynthos, vor der Küste von Kilini nach dem Wrack. Dabei stellt sich heraus, dass die in den Unterlagen angegeben Koordinaten falsch waren. Erst ein Fischer bringt die Taucher auf die richtige Spur.

Am 24. Juli 2015 bekommt Unterwasserfotograf Udo Kefrig einen Anruf von Peter Mohr: „Du, Knipser, ich hätte da mal so ein Wrack. Interesse?“ So etwas lässt sich das Taucherehepaar aus Lotte-Büren nicht zweimal fragen. Anfang August geht es mit 200 Kilo Ausrüstung im Gepäck im Direktflug von Düsseldorf nach Zakynthos und von dort mit der Fähre nach Kilini. Da es im Wrack selbst keine Toten gab, ist es nach Ansicht der Tauchbegeisterten auch ethisch vertretbar, die gesunkene „MV Zakynthos“ zu erforschen.

„Ein Wind zieht auf, Regentropfen fallen, dunkle Wolken brauen sich zusammen – sind es wie damals, im Jahr 1989, die ersten Vorboten eines Sturms?“, fragt sich Rose Kefrig. Dennoch besteigt sie mit Ehemann Udo, Tauchbasisleiter Peter und dem Filmteam Barbara und Ingmar Chimani ein Schlauchboot: „Während die ersten Fischerboote wegen starkem Seegang zurückkehren, steuern wir die Wrackkoordinaten an“, berichtet sie und schildert das Abtauchen in die geheimnisvolle Unterwasserwelt: „Fische huschen vorbei. Die Sicht beträgt zwischen 20 und 25 Metern. Schemenhaft, schon fast mystisch zeichnen sich die ersten Umrisse der vergessenen ,Zakynthos‘ aus der Tiefe.“

Die Oberseite des Wracks befindet sich auf 28 Meter Tiefe, die Steuerbordseite des gesunkenen Schiffs ruht auf sandigem Grund. Die abgerissene Heckklappe liegt abseits. „Ein besonderer Reiz ist es, durch das offene Heck einzutauchen“, beschreibt die Bürenerin einen der Gründe für die Faszination Wracktauchen.

Vorsichtig tastet sich die erfahrene Tauchergruppe voran: „Die Trucks sind zusammengerutscht, liegen auf der Seite. Einige sind bizarr verbogen, verrosten in ihrem stählernen Sarg“, beschreibt Rose den Blick in den Laderaum.

Mit starken Lampen bringen die Taucher Licht ins Dunkel. Sie müssen sich im Innern der Fähre mit größter Vorsicht und Achtsamkeit bewegen – nicht nur, um keine Sedimente aufzuwirbeln, die die Sicht trüben. Sondern auch, um nicht hängen zu bleiben, den Tauchcomputer im Blick zu behalten und sich gut austarieren zu können. „Durch einige Bullaugen dringt Tageslicht. Es lässt den Innenbereich noch gespenstischer wirken. Udo versucht, möglichst viele Motive zu fotografieren. Blitze durchzucken nach 26 Jahren wieder den Laderaum, diesmal jedoch von seiner Kamera. Ihr grelles Licht schreckt kleine Fische auf“, so Rose Kefrig.

Da die Explosionen ein großes Loch in den vorderen Mittschiffsbereich gerissen haben, können sie hier gefahrlos wieder aus dem Wrackinneren heraus tauchen. „Am Ausgang patrouillieren riesige Makrelen; sie sind auf der Suche nach Beute. Oder sind sie die Wächter des Wracks?“, sinniert die Bürener Taucherin.

Ein weiteres Highlight, so berichtet sie, „sind die Schrauben, Schornsteine, Ruderblätter und Rettungsboote. Das Wrack selber ist mit Schleimalgen und Schwämmen bewachsen. Das Ganze wirkt anziehend, skurril. Und es ist fantastisch, wie unberührt alles wirkt“, schwärmt sie noch heute von diesem ganz besonderen Tauchgang.

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