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Sanierung der alten Eisenbahnbrücke in Welbergen

Kritzeleien und Geschichten

Ochtrup

Lange verliefen Sanierungsversuche eher kläglich. Nun wird die alte Eisenbahnbrücke in Welbergen von einer Fachfirma restauriert. Dabei versuchen die Handwerker möglichst viele der alten Inschriften unter der Brücke zu erhalten.

Anne Steven

Nach und nach wird die alte Eisenbahnbrücke in Welbergen wieder instand gesetzt. Auf den Klinkersteinen finden sich zum Teil sehr alte Inschriften. Wer genau sich unter der Brücke verewigt hat, lässt sich aber wohl nicht mehr herausfinden. Foto: Anne Steven

Schon in der Steinzeit haben sich unsere Vorfahren auf Höhlenwänden verewigt. Nicht ganz so alt sind die Kritzeleien unter der alten Eisenbahnbrücke in Welbergen. Doch auch dort haben die Menschen über die Jahre und Jahrzehnte hinweg kleine, dezente Inschriften hinterlassen – und das in großer Zahl. Einige sind in Sütterlinschrift verfasst und mit Jahreszahlen versehen.

An diesem Vormittag haben sich Sabine Hartmann vom Bauamt, Bürgermeister Kai Hutzenlaub und Sebastian Paetzke von dem gleichnamigen Restaurierungsunternehmen aus Hörstel an dem alten Bauwerk verabredet. Eigentlich wollten sie den Fortgang der Sanierung der alten Eisenbahnbrücke begutachten, doch zunächst sind die Inschriften unter der Brücke viel interessanter. Woher diese stammen, können alle Beteiligten nur vermuten. Ob es Soldaten waren, die unter der Brücke kampierten, möglicherweise Kriegsgefangene? Oder waren es Jugendliche, die im Stile von „Ich war hier“ einfach nur ihre Namen mit der Jahreszahl hinterlassen haben?

Von der Bahnlinie zum Radweg

Um die Inschriften auch nach der Sanierung zu erhalten, gehen die Handwerker mit besonderer Vorsicht vor. In anderen Teilen der Brücke haben Paetzke und seine Mitarbeiter aber festgestellt: „Die meisten alten Steine waren nicht zu halten.“ Der Geschäftsführer der Fachfirma greift zur Veranschaulichung in die mit Klinkersteinen verkleideten Bögen und bricht – scheinbar mühelos – ein Stück von einem der beigen Steine ab, die munter vor sich hin bröseln.

Warum die alte Brücke in solch einem schlechten Zustand ist? Um das zu erklären, muss man ein bisschen in die Geschichte gehen. Das Bauwerk ist zweigeteilt: ein Teil besteht aus Stein, der andere aus Stahl. Wann genau es gebaut wurde, ist Sabine Hartmann vom Bauamt nicht bekannt. Doch da die Bahnlinie zwischen Ochtrup und Rheine im Jahr 1905 eröffnet wurde, muss der Bau der Brücke ebenfalls in diese Zeit fallen. Gefreut hätten sich die Welbergener über den Bau der Bahnlinie indes nicht, weiß Heinrich Stücker zu berichten. Für das Buch „850 Jahre Welbergen“ hat er vor einigen Jahren unter anderem über die Wirtschaftsgeschichte in dem heutigen Ortsteil recherchiert. Dabei fand er heraus, dass die Dorfbewohner sich um die Jahrhundertwende deutlich gegen den Bau der Bahnlinie ausgesprochen haben. „Die wollten damals ihre Grundstücke nicht einfach so hergeben“, berichtet Stücker. Da die Streckenführung wertvolle Grundstücke zerschnitt und zudem Wege und Wasserläufe behinderte, schlossen sich die Dorfbewohner zu einer Interessengemeinschaft zusammen. Gemeinsam hätten sie versucht, sich gegen den Bau zu wehren – jedoch ohne Erfolg. Welbergen war allerdings nur eine kleine Personenhaltestelle. Stücker kann sich noch gut erinnern, dass es in seiner Kindheit in der heutigen Gaststätte „Zum Kapellenhof“ Fahrkarten zu kaufen gab. Und er selbst verbindet mit der Bahnstrecke eine ganz persönliche Erinnerung. Als fünfjähriger Steppke stand er am Tag vor Weihnachten 1949 mit seiner Mutter und den Großeltern am Bahnhof, um seinen Vater, den er bis zu diesem Zeitpunkt nur von Fotos kannte, abzuholen. Dieser war in den letzten Kriegstagen 1945 in russische Gefangenschaft geraten. Erst vier Jahre später durfte er heimkehren. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Deutsche Reichsbahn den Betrieb nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges bereits schrittweise wieder aufgenommen. 1969 wurde der Personenreiseverkehr zwischen Ochtrup und Rheine dann allerdings eingestellt, das Streckengleis zurückgebaut. Die ehemalige Bahntrasse fungierte Jahre später als Radweg. Vor etwa 25 Jahren wurde die Brücke beim Verlegen einer Abwasserdruckrohrleitung unwissentlich beschädigt. Seitdem sickerte unaufhörlich Wasser in das Mauerwerk und ließ es abplatzen. Sämtliche bisherigen Sanierungsversuche seien eher kläglich gewesen, betont die Verwaltung. So habe man vor Jahren unter anderem versucht, das Mauerwerk mit Zementputz zu flicken. „Das war natürlich kontraproduktiv“, betont Paetzke. Schließlich konnte das Wasser nun nicht mehr nach außen austreten. Die Steinwand war sozusagen versiegelt.

Denkmalschutz

Seit dem Jahr 2013 steht die alte Eisenbahnbrücke unter Denkmalschutz. Jetzt, mit den entsprechenden Fördermitteln soll alles besser werden. Die Stadt schätzt die Kosten für die Sanierung von Brücke und Geländer auf circa 180 000 Euro. Etwa die Hälfte fördert das Land NRW. Die Fahrbahn der Brücke wurde bereits erneuert. Nun kann kein Wasser mehr eindringen. Derzeit kümmern sich die Handwerker um den Klinker der Bögen. Die bröseligen alten Steine werden – soweit notwendig – entfernt und durch neue ersetzt. Künftig sichern zudem Anker das Mauerwerk.

Wenn die Brücke saniert ist, lohnt sich bestimmt mal ein Ausflug ans Vechteufer, um die Inschriften in Augenschein zu nehmen. Vielleicht gibt es dann noch die eine oder andere Geschichte zu erzählen.

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