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Auf der Walz

Weite Welt statt „Hotel Mama“

Ochtrup

An Fronleichnam 2009 zog der damals 21-jährige Zimmermann in die Welt hinaus. Jetzt ist Stefan Scheipers von der Walz zurückgekehrt. Ein großes Abenteuer geht zu Ende.

Anne Steven

„Wann kommen die denn jetzt endlich?“ – Von den zahlreichen Menschen, die am späten Samstagnachmittag am Ortsschild an der Bilker Straße stehen, ist Maria Scheipers am ungeduldigsten. Denn nur wenige Meter von ihr entfernt steht ihr Enkel Stefan. Und den hat sie viel zu lange nicht mehr gesehen. Denn Stefan war als Wandergeselle die letzten vier Jahre auf der Walz.

An Fronleichnam 2009 zog der damals 21-jährige Zimmermann in die Welt hinaus. Schon als kleiner Junge schnürte er sein Bündel und teilte seinem Vater Werner mit, dass er auf die Walz gehen wolle. Der war davon gar nicht begeistert und das auch noch viele Jahre später nicht, als der Sohnemann sich nach dem Abschluss seiner Lehre dann tatsächlich diesen schon so lang gehegten Traum erfüllte. Er tauschte das „Hotel Mama“ gegen ein Leben auf Wanderschaft. Und er blieb sogar noch länger als die vorgeschriebenen drei Jahre und einen Tag. Doch er hat die Zeit genutzt und ist richtig in der Welt herumgekommen. „Was die Burschen in dieser Zeit lernen, kann ihnen niemand sonst beibringen“, ist sich eine Freundin der Familie Scheipers am Samstag sicher.

Nachdem Stefan Scheipers im ersten Jahr der Wanderschaft nur innerhalb Deutschlands reisen durfte, zog es ihn schon bald weiter weg. Einen Winter seiner Walz verbrachte er in Lateinamerika, arbeitete in Chile, Argentinien, Brasilien und Peru. Doch auch in Norwegen, Spanien, Frankreich, Ungarn, Slowenien, Bulgarien, Rumänien und der Türkei schlug der Ochtruper Zimmermann seine Zelte auf.

Nach all den Erlebnissen – meistens reduzierte sich der Kontakt mit der Heimat auf Telefonate und seltene Besuche der Familie in der Ferne – brachten seine Wanderkollegen ihn am Samstag aber heil und sicher wieder zurück in die Töpferstadt. Knapp 30 Wandergesellen begleiteten den Ochtruper auf seinen letzten Metern in Freiheit. Am Montag durchbrach Scheipers zum ersten Mal nach vier Jahren den sogenannten Bannkreis von 50 Kilometern um seine Heimatstadt. An den folgenden Tagen wuchs die Zahl seiner Begleiter stetig an. Einige von ihnen haben auch schon in Ochtrup bei Familie Scheipers Station gemacht. Ein paar Meter vor dem Ortsschild verabschieden sie ihren Kameraden. Der muss die letzten Meter unter dem lauten Jubel von Familie, Freunden und Nachbarn alleine zurücklegen. Sichtlich bewegt macht er sich auf den Weg. Doch so lange seine Wanderkollegen seine Rückkehr in die Länge gezogen haben mit ihren Liedern, Sprüchen und Versen, so kurz und schmerzlos vollzieht Scheipers den Sprung auf „die andere Seite“. Gekonnt wirft der Zimmermann seinen „Stenz“, den Wanderstab, über das Ortsschild, sein Gepäck auf den Seitenstreifen und sich in die Arme seiner Lieben. Als erstes bekommt ihn der Vater zu fassen, dann ist endlich auch Oma Maria an der Reihe. Sie übernimmt gleich mal den Wanderstab, bevor der „verlorene Sohn“ auch von Mutter Mechthild, Schwester Lisa, den Großeltern Paula und Josef Nienkötter und von Bruder Bernd in die Arme geschlossen wird. Letzterer kann dabei die Tränen nicht mehr zurückhalten.

Auch bei Freunden und Nachbarn ist die Freude groß. „Man, bist du groß geworden“, sagt Stefan Scheipers nicht nur ein Mal beim vielen Händeschütteln. Doch allein mit der Begrüßung lässt es die Familie nicht bewenden. „Wir zeigen heute mal, wie hier im Münsterland gefeiert wird“, freut sich Vater Werner auf die Zeltparty auf dem heimischen Hof. Die Wanderkollegen sind natürlich auch mit dabei, bevor für sie die Reise weitergeht. Stefan Scheipers ist indes fürs erste wieder in der Heimat angekommen.

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