Der Poetry-Cop von Rheine
Wenn ein Polizist zur Feder greift
KREIS STEINFURT
Polizist und Poesie – geht das zusammen? Und wie das geht! Seit 1990 ist der Rheinenser Thorsten Trautmann Polizist. Seit fünf Jahren auch „Poetry-Cop“. Was das ist? Mehr als nur ein Hobby, mehr als nur ein Ausgleich zur Arbeit, sondern feine Poesie, die Kopf und Bauch gleichermaßen anspricht.
Der junge Junkie randaliert im Krankenhaus, bedroht das Personal und auch die Polizisten mit Kopfstößen und Beleidigungen. Einer der Beamten ist Thorsten Trautmann aus Rheine. „Selbst meine Familie wurde persönlich von ihm bedroht.“ Ein paar Einsätze später steht Trautmann neben einem Vater, der mutmaßlich seinen vier Monate alten Säugling in den Magen geboxt haben soll.
Der Streifenpolizist aus Rheine macht während seiner Wach- und Wechseldienste so einige Streifen mit. „Das kann man auch nicht alles in der Wache lassen, sondern nimmt es mit nach Hause.“
Manche seiner Kollegen suchen den Ausgleich im Sport, Trautmann in der Poesie. Polizist und Dichtkunst – geht das? Und wie das geht! Denn Trautmann will rein in die Köpfe der Menschen und in ihre Herzen – um etwas verändern zu können - auf dem Weg zu mehr Gerechtigkeit.
Einfühlsam, bildhaft und pointiert formuliert der leidenschaftliche Maxiscooter-Fahrer seit genau fünf Jahren Gedichte und Prosatexte. Die Waffen des Polizisten aus Rheine: wohlüberlegte Worte, die – wie seine Dartpfeile im heimischen Wohnzimmer – voll ins Schwarze treffen.
Trautmann nennt sich selbst „Poetry-Cop“, aber eher mit Understatement, denn seine Gedichte sind nicht lyrisch abgehoben oder belehrend, nicht uniformiert-kitschig oder moralinsauer. Trautmann hat ein großes Herz, ob in Uniform oder in zivil: Er ist selbstkritisch, betrachtet Dinge nicht nur von einer Seite. Auch weil er privat hin- und nicht wegsieht, schreiende Ungerechtigkeiten sofort zu Papier bringt. „Das ist einfach in mir drin und muss raus.“ Mal täglich, mal monatlich.
Denn der Vater einer kleinen Tochter erlebt zunehmend eine „wachsende Verrohung der Sitten und einen grassierenden Werteverfall“.
Zehn Jahre war Trautmann in der Einsatzhundertschaft, mittlerweile arbeitet er auf einer Polizeiwache. Er macht seine Arbeit gerne, keine Frage, betont der 43-Jährige. Doch die Schichten werden härter, die Straftäter rabiater. Der Rheinenser erinnert daran, dass immer mehr Kollegen beim Einsatz getötet, verletzt oder bedroht werden. „Das geht an die Substanz.“
Die Arbeit als „Poetry-Cop“ ist mehr als nur ein Ventil. Bislang mehrere hundert Gedichte sind geprägt von Nächstenliebe und Zivilcourage. Wenn ihm doch einmal der Kragen platzt, dann nicht mit dem Knüppel aus dem Sack, sondern mit warnenden und mahnenden Worten, die nicht verletzen, sondern aufrütteln wollen.
Mit großem Erfolg. Zwischen Kiel und München wurde die erste Homepage des „Poetry-Cop“ so häufig angeklickt, bekommt er so viele Mails und Tweets, so großen Zuspruch quer durch alle Bevölkerungsschichten, dass er jüngst eine zweite Homepage eingerichtet hat. „Es ist schön zu wissen, dass meine Texte ankommen“, freut sich der Rheinenser.
Sein Einsatz wird geschätzt. Auch als Imagegewinn des Polizistenberufs. Beim bundesweit operierenden Verein „Keine Gewalt gegen Polizisten“ mit Sitz in Remagen arbeitet Trautmann als stellvertretender Vorstandsvorsitzender. Mittlerweile hat er manche Gedichte auch zu formidablen Deutsch-Rock-Songs adaptiert, manche Texte direkt als Songs geschrieben. Die singt er in seiner gemütlichen Dachgeschosswohnung selbst ein. Ein österreichischer Facebook-Freund steuert die Gitarrenläufe bei. Jetzt sucht „Poetry-Cop“ Trautmann nur noch eine Band oder eine Plattenfirma.
Größtes Lob kommt von seiner kleinen Tochter. „Abends bittet sie mich, ihr lieber meine Gedichte vorzulesen oder meine Songs vorzuspielen, als ein neues Kapitel von Bibi Blocksberg.“
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