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Mieterseminar für Flüchtlinge

„Wohnen ist Heimat“

Steinfurt/Horstmar

Welche Rechte und Pflichten hat man als Mieter in Deutschland? Menschen aus anderen Kulturkreisen bedürfen da durchaus Aufklärung. Der Caritasverband hat reagiert und an drei Abenden erstmals ein speziell für Flüchtlinge gedachtes Mieterseminar durchgeführt.

Axel Roll

Ehrenamtskoordinatorin Claudia Berning füllt für Mohamed Wael Sharif das Mieterzertifikat aus. Der 34-jährige Syrer hat mittlerweile eine eigene Wohnung – und auch eine Berufsausbildung. Foto: Axel Roll

Zu den ersten Pflichten eines Mieters im syrischen Damaskus zählt das Schneeschippen nicht unbedingt. Das regelmäßige Lüften zur Vermeidung von Schimmel ist wegen der dortigen klimatischen Verhältnisse eher unbekannt. Und auch über die Nachtruhe und das Mülltrennen gibt es in Deutschland durchaus andere Vorstellungen als in Syrien oder Afghanistan. Die Liste der hiesigen Besonderheiten ließe sich beliebig fortsetzen. Claudia Berning hat mit Experten der Verbraucherzentrale drei abendfüllende Veranstaltungen daraus gemacht. Und wer das meiste davon behalten hat, bekam zum Abschluss ein Zertifikat, ausgestellt vom Caritasverband. Der hat jetzt zum ersten Mal für anerkannte Flüchtlinge ein Mieterseminar durchgeführt. Und Claudia Berning als Ehrenamtskoordinatorin für die Stadt Horstmar ist optimistisch: „Das war bestimmt nicht das letzte.“

Ziel der dreiteiligen Veranstaltung: „Die Teilnehmer aus einem fremden Kulturkreis über Rechte und Pflichte als Mieter in Deutschland aufzuklären.“ Der Bedarf ist nach Wahrnehmung von Claudia Berning groß. „In Horstmar zum Beispiel sucht die Hälfte der 130 zugeteilten Flüchtlinge eine eigene Wohnung“, weiß die Ehrenamtskoordinatorin. Da sei es hilfreich, wenn die Bewerber um eine Wohnung Bescheid wüssten, was auf sie alles zukommt. So könne Ärger schon im Ansatz verhindert werden.

Mohamed Wael Sharif hat das Zertifikat aus den Händen von Claudia Berning erhalten. Und das Beste: „Ich habe mittlerweile eine eigene Wohnung.“ Der anerkannte Flüchtling aus Syrien ist sogar schon einen Schritt weiter: „Am 1. August beginne ich eine Ausbildung als Reisekaufmann in einem Burgsteinfurter Reisebüro.“

Das Wissen über das örtliche Mietrecht hat auch dem 34-jährigen Syrer geholfen. Da ist er sich sicher. „Aber das Wichtigste ist die Sprache“, hat der studierte Tourismus-Experte nach seiner Flucht schon mehrfach erfahren. Nach eindreiviertel Jahren in Deutschland war Sharif schon in der Lage, seine Vermieterin im persönlichen Gespräch zu überzeugen, ihm die freien Zimmer zu geben. Aber bis es so weit war!

„Ich habe einen Monat lang jeden Tag am Telefon gesessen und habe Vermieter angerufen“, erinnert sich Wael Sharif. Er weiß, dass er trotzdem großes Glück gehabt hat: „Viele meiner Freunde haben auch nach drei Monaten immer noch keine Wohnung.“ Claudia Berning nickt: „Die höfliche Absage ist dann immer: Die Wohnung ist leider schon vergeben.“ Aber sie erlebt es auch immer wieder, dass es offene rassistische Äußerungen gibt: „Ich vermiete nicht an Ausländer.“

Die Ehrenamtsbeauftragte schüttelt mit dem Kopf und lächelt: „Flüchtlingen eine Wohnung zu vermieten kann auch bedeuten, Urlaub im eigenen Land zu machen.“ Sie weiß von einem arabischen Konditor, der beinahe täglich die übrigen Hausbewohner mit neuen Kreationen aus dem heimischen Backofen überrascht. Wael Sharif ergänzt: „Außerdem können wir voneinander lernen. Ich die deutsche Sprache, die Deutschen Arabisch.“

Wohnen, das macht Claudia Berning deutlich, „ist der Inbegriff von Heimat“. Fühlt sich der 34-jährige Syrer schon heimisch? Wael Sharif überlegt kurz. „Nach fast zwei Jahren spüre ich jetzt ein bisschen Heimat.“ Die Sprache sei immer noch nicht perfekt, er verstehe aber alles und könne sich gut verständlich machen. Freunde habe er gefunden und eine Berufsausbildung stehe unmittelbar bevor. Er ist sich bewusst, dass er im Vergleich zu seiner Anstellung als Universitätsdozent in seiner syrischen Heimat in Deutschland einige Stufen auf der Karriereleiter hinabsteigen muss. Seinen Traum hat er aber nicht aufgegeben. „Ich möchte irgendwann promovieren.“ Und zurückgehen nach Syrien? „Nein, dafür habe ich mir jetzt schon zu viel in Deutschland aufgebaut.“

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