Sterbeamme Uli Michel
Ein Hauch von Leben
Tecklenburg
Uli Michel ist ausgebildete Sterbeamme und begleitet Frauen, die ihr Kind kurz vor, während oder nach der Geburt verloren haben. Sie leistet emotionale erste Hilfe, wenn der Schock tief sitzt, aber auch später. Sie selbst versteht sich als „Amme für Lebensübergänge, als eine Art Schwellenhüterin zwischen dem Lebensanfang und dem Lebensende“.
Gerade an Feiertagen wie Weihnachten, dem Fest der Liebe und der Familie, ist da dieser Schmerz. Der Schmerz über den Verlust des Kindes, mit dem die Eltern jetzt eigentlich das erste gemeinsame Weihnachtsfest hätten feiern wollen. Statt gemeinsamer Freude ist da diese riesige Lücke. Nichts ist so, wie es hätte sein sollen. Der Schmerz scheint die Welt still stehen zu lassen, die Betroffenen förmlich zu erdrücken.
Uli Michel kennt viele Paare, die sich dieser Tage jener schier unüberwindbaren Hürde gegenübersehen. Die Tecklenburgerin ist ausgebildete Sterbeamme und begleitet Frauen, die ihr Kind kurz vor, während oder nach der Geburt verloren haben. Sie leistet emotionale erste Hilfe, wenn der Schock tief sitzt, aber auch später. Sie selbst versteht sich als „Amme für Lebensübergänge, als eine Art Schwellenhüterin zwischen dem Lebensanfang und dem Lebensende“.
Geburt und Tod prallen aufeinander
Seit über 20 Jahren ist Uli Michel Hebamme. Während dieser Zeit hat sie viele wunderschöne Geburten, aber auch einige krisenhafte Situationen miterlebt. Hat sie sich als Hebamme um die körperlichen Schmerzen der Mütter gekümmert, nimmt sie sich nun den seelischen Schmerzen der Eltern sogenannter Sternenkinder an. „Mir war bewusst geworden, wie wenig wir den Frauen, die ein Kind verloren haben, helfen konnten“, nennt die 48-Jährige den Beweggrund dafür, neben dem Lebensanfang seit 2014 vor allem das Lebensende zu begleiten.
„Wenn Geburt und Tod aufeinandertreffen, scheint unser Gehirn sich zu wehren, weil diese Ereignisse nicht zusammengehören“, sagt sie. „Diese Kinder streifen die Welt nur, lösen auf ihr aber einen Vulkanausbruch aus.“ Neben dem Schmerz und der Trauer entstünden Fassungslosigkeit und Ohnmacht. Diese Stück für Stück zu lösen, hat sich Uli Michel zur Aufgabe gemacht. Sie könne Betroffenen den Schmerz zwar nicht nehmen, sie aber dazu ermutigen, ihn zuzulassen und nicht zu verdrängen. Zugleich gibt sie Eltern Werkzeuge an die Hand, die helfen sollen, mit dem Tod eines Kindes umgehen.
Rituale für den Umgang mit der Lücke im Leben
Wichtig ist der Sterbeamme, dass Paare nach einem würdevollen Abschied vom Kind, diesem auch danach einen Platz in ihrem Leben einräumen. Dass sie beispielsweise eine Kerze für das Kleine anzünden, es beim Namen nennen oder Orte und Rituale entwickeln, ihm zu gedenken. Aus dem Tannenbaum einen dicken geschmückten Zweig herauszuschneiden und diesen zum Grab zu bringen, könne jetzt zu Weihnachten eines sein.
Das sogenannte „Bonhoeffer-Ritual“ symbolisiere die Lücke im Leben der Familie sowie die Zusammengehörigkeit zum geliebten verstorbenen Kind, beschreibt es Uli Michel. Ob sich Eltern für dieses Ritual oder vielleicht auch für eine Rakete mit guten Wünschen entschieden, die sie in der Silvesternacht in den Himmel schießen, liege bei ihnen. „Ich halte nur einen großen Blumenstrauß in den Händen, aus dem man sich das jeweils Passende heraussucht“, sagt die sympathische und einfühlsame Frau.
Es ist nicht das Ende der Liebe
Trauer ist individuell, der Umgang mit ihr ebenso. Feingefühl, Ruhe, Verlässlichkeit und lebenspraktische Hilfen seien gefragt – das solle sich in ihren Gesprächen, Wochenendseminaren und speziellen Rückbildungskursen für verwaiste Mütter, die sie regelmäßig in Münster anbietet, widerspiegeln, sagt Uli Michel. Und am Ende solle eine Erkenntnis stehen: Der Tod ist das Ende des Lebens, aber nicht das Ende der Liebe. Diese bleibt. Selbstverständlich nicht nur an Weihnachten.
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