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42. Traditioneller Herrenabend des Bürgervereins

Alle lieben dieses Wersen

Wersen

Die Herrenabende des Bürgervereins Wersen sind wie eine Pralinenschachtel. Man weiß vorher nie, was drin ist. Die 42. Auflage des traditionellen Krautessens hielt auch dieses Mal wieder manche Überraschung bereit.

Frank Klausmeyer

Für Stimmung sorgten Deborah Woodson und ihre Tänzerinnen. Da hielt es auch Krautkönig Norbert Römer (vorne links), seinen Vorgänger Elmar Brok, die Ex-Krautkönige Manfred Hugo (2013) und Ulrich Kasselmann (2012) sowie den Osnabrücker Oberbürgermeister Wolfgang Griesert (daneben von links) nicht mehr auf den Stühlen. Foto: Heinrich Weßling

Der 10. März ist ein geschichtsträchtiges Datum. Vor 2258 Jahren versenkten die Römer die kathagische Flotte und entschieden damit den Ersten Punischen Krieg für sich. Am 10. März 1899 wurde in Frankreich der Führerschein mit Fahrprüfung zur Pflicht. In die Geschichtsbücher eingehen wird aber bestimmt ebenso der 10. März 2017. Denn ein Römer hat – über 2000 Jahre nach der Varus-Schlacht – die Macht in Wersen übernommen.

Genaugenommen der Römer, Vorname Norbert, und seines Zeichens Fraktionsvorsitzender der SPD-Fraktion im nordrhein-westfälischen Landtag. Für Ordnung wolle er sorgen, versprach der neue Krautkönig des Bürgervereins Wersen seinen Untertanen beim 42. traditionellen Herrenabend. Ob er damit auch den Programmablauf meinte ?

Denn der sonst streng getaktete Zeitplan geriet am Freitagabend ungewohnt durcheinander. Die Begrüßung der Männer im Saal durch den kommissarischen Vorsitzenden Helmut Börst verspätete sich, so dass bereits Kraut und Haxen aufgetischt wurden, als Landrat Dr. Klaus Effing, erstmals zugegen beim Herrenabend, noch mitten im Grußwort steckte. Dabei leistete er sich dann noch den Fauxpax, den neuen Krautkönig hinauszuposaunen, obwohl der noch gar nicht gewählt war. Auf eine Pause zur Abstimmung verzichtete der Vorstand dann gleich, so dass mit dem offiziellen Teil des Abends am Ende rund 30 Minuten früher Schluss war als geplant. Derweil traf der alte Regent Elmar Brok erst ein, als die Veranstaltung fast gelaufen war. Der Europaabgeordnete der CDU war im Verkehr stecken geblieben. Weil er noch gar nicht abgedankt hatte, Römer sich aber schon die Königskette von Börst umhängen ließ, gab es kurzzeitig sogar zwei Könige.

Das alles überspielte Helmut Börst in seiner Moderation souverän und ließ sich auch nicht von kleinen Tonproblemen erschüttern. Dafür gab es genauso einen dicken Sonderapplaus wie für den Grandseigneur des Herrenabend, Freiherr Constantin von Heereman, und den Ehrenvorsitzenden Wilfried Freier, der hinter den Kulissen wieder tatkräftig zum Gelingen des Abends beigetragen hatte.

Für richtig Unruhe sorgte dann eine Frau: Deborah Woodson. Die in den USA geborenen und in Köln lebende Gospelsängerin eroberte den Saal im Sturm. Die rund 350 Männer sangen noch stehend Halleluja als die stimmgewaltige Soulsängerin und ihre beiden hübschen Vortänzerinnen bereits von Börst mit Blumen verabschiedet worden waren. Denn Woodson beließ es nicht bei spirituellen Songs, sondern heizte dem Krautvolk mit „It‘s Raining Men“ von den Weather Girls, „I Will Survive“ von Gloria Gaynor oder „Rolling on the river“ von Tina Turner im Show-Teil so richtig ein.

Norbert Römer hatte zuvor versichert, seiner Abdankung – anders als seine Genossen Garrelt Duin und Stephan Weil (Krautkönige 2014 und 2015) – im kommenden Jahr „fröhlich beizuwohnen“. „Wenn er nicht selbst fahren kann, hole ich ihn ab“, kündigte Laudator Ernst Schwanhold (SPD, Krautkönig 2001) an. Die nächste Fraktionssitzung in Düsseldorf will Römer überdies mit der Königskette des Bürgervereins eröffnen, lautete ein weiteres Versprechen.

Trotz roter Brille und Landtagswahl im Mai blieb der Spitzen-Sozi weitgehend neutral, wenngleich er nicht verschweigen wollte, dass er mit NRW-Ministerpräsidentin Hannelore Kraft am liebsten Pferde stehlen möchte. Vielleicht lässt sich seine politische Zurückhaltung an diesem Abend aber auch durch die deutliche Ansage Schwanholds erklären: „In dieser Gegend haben schon so manche Römer was aufs Maul gekriegt.“

Ein Thema durfte beim 42. Herrenabend natürlich nicht fehlen. Bürgermeister Rainer Lammers begrüßte die Gäste zur Eröffnung in der „Fußballhochburg Lotte“, wo der Rasen der 12. Mann der Sportfreunde sei. „Da tauschen wir gar nichts aus. Der ist gut“, stellte Lammers fest. Lotte hätte Dortmund am 28. Februar sicher geschlagen. „Doch die Superprofis wollten bei dem bisschen Schneeregen ja nicht spielen“, stichelte Lammers. Dass der neue König sich durch die Blume als Borussen-Fan outete, ging am Freitag unter, sonst hätte es sicher Pfiffe gegeben.

Dem Römern und allen anderen Rednern die Schau gestohlen hat jedoch eindeutig der Osnabrücker Oberbürgermeister Wolfgang Griesert, dessen geschliffenes Grußwort die Herren schon zu Beginn zu einem Beifallssturm hinriss. Hatte er vergangenes Jahr noch mit dem Zwangsschluss des westfälischen Nachbarortes gedroht, kam der OB jetzt mit einer Ode auf das Dorf daher. „Im Wersener Sumpf lernt man Brücken zu bauen“, lobte er das Wirken des scheidenden Krautkönigs Brok in Brüssel. „Auch Europäer lieben dieses Wersen“.

In der friedlichen Grenzregion würden keine Mauern gebaut, worüber sich nicht nur Berliner freuten. „Germans love that version.“ Grieserts Übersetzung: „Deutsche lieben dieses Wersen.“ Der Nachbar aus Osnabrück spann diesen roten Faden weiter. Auch Westfalen, Schotten, Steinfurter, Niedersachsen, Sportfreunde, Politiker, Katholiken und vor allem Männer sowie er selbst liebten dieses Wersen. Kurzum: Alle lieben dieses Wersen.

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