Markus Pieper im Wahlkreis Münsterland unterwegs
Auf Werbetour für Europa
Tecklenburger Land
Zum Höhepunkt des Karnevals gewährt sich auch das Europäische Parlament eine „grüne Woche“. Für Markus Pieper, den CDU-Abgeordneten fürs Münsterland aus Lotte, bedeutet das aber nicht Freizeit, sondern Gelegenheit für den Kontakt zur Basis.
Den Morgen des Aschermittwoch nutzt der 54-Jährige zunächst zum Friseurbesuch – „muss ja auch mal sein“ – und zur Telearbeit am heimischen Computer in Halen. Doch gegen 13 Uhr geht‘s los im eigenen Privatwagen Richtung Coesfeld zum St.-Pius-Gymnasium.
Mit der Energieeffizienzrichtlinie, die Pieper als Mitglied im Industrieausschuss in Brüssel derzeit besonders beschäftigt, muss er den in der Aula versammelten etwa 60 angehenden Abiturienten nicht kommen. Themen wie Brexit, Marihuana-Legalisierung, Demokratieverlust in Polen oder Glyphosat interessieren die jungen Leute weit mehr, und er bleibt keine Antwort schuldig.
Hellhörig werden sie, als der Christdemokrat bekennt, dass er die ablehnende Haltung von Kanzlerin Angela Merkel zu einer Minderheitsregierung in Berlin nicht teilt: „Ja, es bestünde das Risiko der Erpressbarkeit, aber es böte die Chance, endlich einmal wieder CDU-Politik darzustellen. Zuletzt haben wir doch nur noch zwischen Grünen und FDP bzw. zwischen SPD und CSU vermittelt und dabei nach außen unser Profil verloren.“
Sympathien trägt dem promovierten Geografen seine Vorgeschichte als Quereinsteiger ein, der nie angestrebt hatte, Politiker zu werden. Sein Rat, die eigene Zukunft, auch die berufliche, nicht durchzuplanen, sondern Zufälle zuzulassen, wird offenbar dankbar angenommen und von Schuldirektor Norbert Just auch noch bestätigt.
Weiter geht es in den Kreis Borken ins Burghotel Oeding. Die Baustelle auf der B 525 ist dem Navi leider nicht bekannt. Halb so schlimm, da der politische Aschermittwoch der Frauenunion dort erst um 18 Uhr startet. Markus Pieper hofft auf einen Mittagsimbiss. Doch die Küche ist geschlossen. Kaffee und Mandelkuchen, sonst gibt es nichts. „Dann aber wenigstens mit Sahne“, versucht er erfolgreich, den Nährwert ein wenig zu steigern.
Ein halbes Dutzend Telefonate verkürzt die unerwartete Wartezeit, darunter eins mit EU-Kommissar Günther Oettinger, den Pieper für den größten Politischen Aschermittwoch Norddeutschlands am Abend in Recke als Hauptredner gewonnen hat. Spontan bietet Senior-Hotelchefin Maria Pass noch eine Führung durch den über 700 Jahre alten Gewölbekeller der Burg samt Haftzelle an. Nett!
Dann ist Pieper selbst der Hauptredner, allerdings vor nur knapp 60 Frauen samt Landrat und Bürgermeister. Seinen Werbeblock für Europa und den Koalitionsvertrag fasst er kurz, damit mehr Zeit für Fragen bleibt. Bei den Stichworten Brexit, Eurorettung, Frieden und Minderheitsregierung rennt er bei den Parteifreundinnen ohnehin offene Türen ein. Das Thema Sicherheit hat hier Priorität.
Einig ist man sich auch in der Klage, dass alles schlecht geschrieben werde, obwohl es den Deutschen im globalen wie im historischen Vergleich einzigartig gut gehe. Doch da hat der Europäer ein Beispiel im Gepäck, das den Damen neu ist. Zur Frage nach einem Diesel-Fahrverbot stellt Pieper fest, dass die Stickoxidbelastung in Deutschland in 30 Jahren um 70 Prozent gesunken sei. „Aber während wir unsere Messanlagen an die Hauptverkehrsstraßen stellen, stehen sie in Brüssel beispielsweise mitten im Stadtpark.“
Zurück im Auto prophezeit das Navi eine leichte Verspätung für Recke. Doch der Volvo holt auf den 106 Kilometern 18 Minuten auf: wenig Verkehr, keine Glätte. Pieper ist vor Oettinger im Rathaus, wo Kiepenkerle und Tüötte mit Wacholderschnaps auf ihn warten. Oettinger sagt nicht nein. Und nachdem der offiziell „meinem Freund Markus“ für die Einladung gedankt hat, holt jener bei den dargebotenen Schnittchen auf, was in Borken versäumt wurde.
„Oettinger ist eine Granate“, hatte Pieper lange vor dem Einzug ins 2000 Leute fassende Festzelt verkündet, ohne massive Zweifel ausräumen zu können. Doch Oettinger überzeugt durch Witz und Kompetenz. Die Bedeutung von Europa illustriert er originell: „So wichtig der Export von S-Klasse ist, der Export von Frieden und Freiheit ist allemal wichtiger.“
Nur einmal erhebt sich Protest, ausgerechnet am Tisch der Lotter CDU, wo traditionell auch Bürgermeister Rainer Lammers (SPD) Asyl findet: Oettinger hatte bei einem Ausflug in einen Fußball-Vergleich Preußen Münster und den VfL Osnabrück genannt, aber die Sportfreunde nicht erwähnt. Lammers klärte ihn später an der Theke erfolgreich auf.
Auch Markus Pieper kann jedes Wort in Oettingers Rede unterschreiben, sieht aber dennoch Anlass zur Kritik: „Wirtschaft, Frieden, Sicherheit – alles richtig. Aber er hat mir zu wenig unsere christlich-demokratischen Antworten auf die drängenden Fragen herausgestellt.“ Sie werden Gelegenheit haben, freundschaftlich darüber zu sprechen.
Nach intensiver politischer Kontaktpflege vor dem Biertresen lässt sich Markus Pieper von seinem Sohn abholen. Auf der Heimfahrt checkt er Emails, bereitet sich auf den Termin am nächsten Vormittag in Düsseldorf vor, wo im Evangelischen Arbeitskreis über den CDU-Wahlkampf für die 2019 anstehende Europawahl beraten wird. Ins Bett kommt er erst mitten in der fortgeschrittenen Nacht – und auch die wird wieder kurz.
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