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Bedingungsloses Grundeinkommen Thema in Westerkappeln

„Den Sozialstaat modernisieren“

Westerkappeln

Was die einen herbeisehnen, ist für andere eine Horrorvorstellung. Gemeint ist ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE). Dr. Sascha Liebermann ist klar dafür. Mit der Zahlung eines BGE an alle Bürger könne der Sozialstaat modernisiert werden, zeigte er sich bei einem Vortrag in Westerkappeln überzeugt.

Dietlind Ellerich

Professor Dr. Sascha Liebermann macht sich für ein Bedingungsloses Grundeinkommen für alle stark. Foto: Dietlind Ellerich

Geld für alle, ohne zu arbeiten ? Seit Jahren wird nicht nur in der Politik, sondern auch in der Gesellschaft über ein Bedingungsloses Grundeinkommen (BGE) zur Sicherung des Existenzminimums gesprochen. Was die einen herbeisehnen, ist für andere eine Horrorvorstellung. Die meist kontrovers und emotional geführten Diskussionen waren für das Pastorenehepaar Adelheid Zühlsdorf-Maeder und Olaf Maeder Grund genug, mit Dr. Sascha Liebermann einen Fachmann zum Thema BGE einzuladen.

Liebermann ist Professor für Soziologie an der privaten Alanus Hochschule in Alfter bei Bonn und Mitbegründer der Initiative „Freiheit statt Vollbeschäftigung“, die sich für das Bedingungslose Grundeinkommen stark macht. Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Politische Bildung – Herausforderung Demokratie“ der Evangelischen Erwachsenenbildung im Kirchenkreis Tecklenburg und der evangelischen Kirchengemeinde Westerkappeln führte Liebermann am Dienstag im Dietrich-Bonhoeffer-Haus vor gut zwei Dutzend Besuchern aus, warum er ein BGE für sinnvoll hält.

„BGE - Faulheitsprämie oder realistische Antwort?“ lautete der Titel seines Vortrags, in dem sich der Referent klar für die Alternative hinter dem „Oder“ ausspricht. Mit der Zahlung eines BGE an alle Bürger könne der Sozialstaat modernisiert, auf ein der Demokratie gemäßes Fundament gestellt werden, ist Liebermann überzeugt.

Er bemängelt die Systeme sozialer Sicherung, die nicht den Bürger, sondern lediglich die Erwerbstätigen in den Fokus nähmen. Das Fundament der politischen Grundordnung, der Demokratie, seien aber die Bürger, nicht die Erwerbstätigen. Das BGE sei also ein Mittel, den Sozialstaat dahingehend weiterzuentwickeln, dass er besser zur Demokratie passt.

Gut zwei Dutzend Besucher verfolgten den Vortrag im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Politische Bildung – Herausforderung Demokratie“. Foto: Dietlind Ellerich

Wenn nur die Erwerbsarbeit eine Bedeutung habe, werde alles andere wie Haushalt, Familienarbeit oder ehrenamtliche Tätigkeiten abgewertet, betont der Referent. Das Volumen der unbezahlten Arbeit sei riesig, die Altersarmut bei Frauen deshalb besonders hoch. „Das können wir uns offenbar leisten“, kritisiert er das System, aber auch die Forderung, dass Frauen noch früher und noch mehr arbeiten sollen.

Die Kinder gingen die Einrichtung, das Familienleben bleibe auf der Strecke, was für Männer schon immer so gewesen sei, gelte dann auch für Frauen. „Gespenstisch, oder“, gibt Liebermann zu bedenken. Und wenn nichts mehr jenseits der Erwerbstätigkeit gelte, gebe es keine Freiwillige Feuerwehr, keinen Sportverein, keine Parteien, keine Kirchen mehr, spinnt er den Faden weiter.

Ein ausreichend hohes BGE – Liebermann spricht von 1000 bis 1200 Euro pro Bürger – biete Eltern und Kindern, besonders Alleinerziehenden, die Chance auf familiale Gemeinschaft, die Möglichkeit zu wählen, wie viel Zeit sie miteinander verbringen möchten. Aus Maßnahmen würden Angebote, zudem rückten die Bürger statt der Erwerbstätigen ins Zentrum. Wenn jemand seinen Job verliere, drohe nur der Verlust einer Einkommensstelle, nicht der des Status.

Was Liebermann im Dietrich-Bonhoeffer-Haus als positives Szenario entwirft, schmeckt nicht allen Besuchern. Während ein Mann auf regional unterschiedliche Wohnkosten hinweist, hat ein anderer die Höhe des Mindestlohnes im Blick. Liebermann räumt ein, dass es einer vernünftigen Ordnung bedarf, wolle man den Kritikern des BGE den Wind aus den Segeln nehmen. Das Argument, das BGE sei nicht zu finanzieren, hält er aber für vorgeschoben. „Wenn man das will, führt man das ein“, stellt er salopp fest. Da sei was in Bewegung, beobachtet er, dass die Parteien sich mehr und mehr mit dem Thema auseinandersetzen.

„Weniger Scheuklappen und mehr Zukunftsvisionen“ wünscht sich am Ende eines spannenden Abends auch Adelheid Zühlsdorf-Maeder, die die Veranstaltung mitorganisiert hat.

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