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Medienprojekt an der Grundschule am Bullerdiek

„Die Probleme werden jünger“

Westerkappeln

Waren Smartphones bis vor zwei, drei Jahren erst ab der weiterführenden Schule in Kinderhand, sind sie nun schon an der Grundschule zunehmend eine Selbstverständlichkeit. Oder wie es Anne Frickenstein, Leiterin der Grundschule am Bullerdiek, es ausdrückt: „Die Probleme werde jünger.“ Die Schule reagiert darauf in Zusammenarbeit mit der „Jungen VHS“ und der Initiative für informelle Bildung mit einem ein Medienprojekt für Viertklässler.

Frank Klausmeyer

„Was macht man mit Kettenbriefen“, fragt der Sebastian Sierp. Viele meisten Kinder kennen die Antwort: „Löschen!“ Der Sozialpädagoge diskutierte im Rahmen der Medienkompetenztage an der Grundschule am Bullerdiek mit Kindern aus der Klasse 4c über den Umgang mit Whatsapp & Co. Schulleiterin Anne Frickenstein und Jendrik Peters von der „Jungen VHS“ (im Hintergrund) waren Zaungäste im Unterricht. Foto: Frank Klausmeyer

Heute ist ein ganz toller Tag. Die Mädchen und Jungen der Klasse 4c dürfen ihre Smartphones mit in den Unterricht nehmen. Aber nicht zum Chatten und Daddeln. Sebastian Sierp bespricht stattdessen mit den Kindern, was sie bei der Nutzung der Geräte unbedingt beachten sollten. Sonst droht jede Menge Ärger.

Waren Handys bis vor zwei, drei Jahren erst ab der weiterführenden Schule in Kinderhand, sind sie nun schon an der Grundschule zunehmend eine Selbstverständlichkeit. Oder wie es Anne Frickenstein, Leiterin der Grundschule am Bullerdiek, es ausdrückt: „Die Probleme werde jünger.“

„Wer hat schon mal einen Kettenbrief bekommen ?“, fragt Sebastian Sierp in die Runde. Bis auf ein Mädchen, das als einzige noch kein eigenes Smartphone besitzt, schnellen alle Finger in die Höhe. Solche Kettenbriefe machen vielen Kindern Angst. Denn die Verfasser drohen damit, dass dem, der den Post nicht weiterleitet, etwas ganz Schlimmes zustoßen wird oder seine Eltern sterben werden. „Was macht man am besten mit Kettenbriefen?“, will Sierp wissen. „Löschen“, weiß ein Junge aus der 4c. Viele Kinder wissen das aber vermutlich nicht und schicken solche Botschaften aus Angst weiter. Umso wichtiger ist es den Kindern frühzeitig zu vermitteln, wie gefährlich der Umgang vor allem mit den sozialen Netzwerken wie Whatsapp, Snapchat oder Instagramm ist.

Sierp ist Mitarbeiter der Initiative für informelle Bildung, eine gemeinnützige Gesellschaft die seit zehn Jahren Kinder, Jugendliche und Multiplikatoren bei der Entwicklung ihrer individuellen Kompetenzen unterstützt, wie es auf der Homepage heißt. Zu den Projekten gehören auch Medienkompetenztage, wie sie jetzt an der Grundschule am Bullerdiek stattfinden.

„Wir möchten den Kindern nicht nur den Gebrauch neuer Medien beibringen, sondern vor allem die Nutzung im Sinne des kritischen Umgangs damit“, erläutert Anne Frickenstein. Denn ein Smartphone nennen heute schon Zweit- und Drittklässler ihr Eigen. „Nicht alle, aber immer mehr“, berichtet die Schulleiterin. „Da wächst der Gruppendruck. Wer kein Handy hat, bleibt außen vor.“

Fälle von Cybermobbing sind ihr bis jetzt zwar noch nicht an der Schule untergekommen, anderer Ärger aber schon. Stress gebe es beispielsweise, wenn Kinder nicht in Whatsapp-Gruppen zugelassen werden. Das mag noch kein Mobbing sein, ist aber Ausgrenzung.

Dabei gebe es für den Messenger-Dienst erst aber 16 Jahren eine Altersfreigabe. „Viele Eltern ist das nicht anscheinend gar nicht bewusst“, sagt Jendrik Peters, pädagogischer Mitarbeiter der sogenannten „Jungen VHS“ bei der Volkshochschule Lengerich, der die Medienkompetenztage – die ersten ihrer Art an der Westerkappelner Grundschule – organisiert hat.

Frickenstein sieht bei der Nutzung der neuen Medien ganz viel Verantwortung im Elternhaus. „Die Eltern dürfen ihre Kinder damit nicht alleine lassen.“ Oft fehle es Müttern oder Väter bei der kritischen Nutzung aber an den erforderlichen Kenntnissen. „Oder sie wollen es nicht wissen“, glaubt die Schuleiterin.

Unlängst hat die Schule dazu auch einen Elternabend in Zusammenarbeit der der Initiative Eltern + Medien des renommierten Grimme-Instituts in Marl veranstaltet. „Der war leider nicht so gut besucht, wie man sich das wünschen würde“, bedauert Anne Frickenstein.

Für die Schule ist das eher Ansporn, selbst Initiative zu zeigen, auch um den Kindern den Wechsel zur weiterführenden Schule zu erleichtern. Das gemeinsame Medienprojekt von Schule, „Junge VHS“ und Initiative für informelle Bildung umfasst für die Viertklässler vier Unterrichtsstunden zu drei Themenblöcken. „Stressalarm“ ist der erste überschrieben. Dabei geht es vor allem um den Umgang mit Whatsapp und die (Be-)Deutung diverser Smileys. Ein weiterer Schwerpunkt liegt auf Cybermobbing und Hate Speech, also Hasskommentaren in Gruppenchats. Schließlich werden die Schüler darüber aufgeklärt, welche Fotos oder Informationen sie posten können und welche besser nicht – denn das Internet vergisst nie.

Frickenstein möchte die Medienkompetenztage an ihrer Grundschule gerne etablieren. Dafür, so erläutert Peters, wolle man die Premiere zunächst mit den Trainern reflektieren. Neben Sierp war auch Nicole Moldenhauer, eine freiberufliche Honorarkraft, in den Klassen. Dass vier Schulstunden angesichts der wachsenden Bedeutung sozialer Netzwerke nur ein Tropfen auf den heißen Stein sind, will Frickenstein nicht bestreiten. „Wir sind aber froh, dass wir das überhaupt anbieten können.“ Außerdem gebe es Bestrebungen, neue Medien zunehmend in den Lehrplan aufzunehmen. „Es tut aber manchmal auch not, die Kinder analog zu halten“, meint die Schulleiterin.

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