CDU-Bundestagsabgeordnete konfrontiert mit zermürbendem Flüchtlingsalltag
„Nur essen, schlafen und warten“
Westerkappeln
Es war ein Abend voller Emotionen und Tränen. Statt einen „Bericht aus Berlin“ zu geben, nahm die CDU-Bundestagsabgeordnete Anja Karliczek am Mittwoch viele Fragen und Wünsche von Flüchtlingen und ehrenamtlichen Helfern mit.
Es war ein Abend voller Emotionen und Tränen und definitiv nicht die Veranstaltung, zu der Anja Karliczek am Mittwoch nach Westerkappeln gekommen war. Statt in ihrem „Bericht aus Berlin“ Stellung zum politischen Geschehen in der Hauptstadt zu nehmen, nahm die CDU-Bundestagsabgeordnete viele Fragen und Wünsche mit.
Der CDU-Fraktionsvorsitzende Wolfgang Jonas wollte nicht über die Flüchtlinge, sondern mit ihnen sprechen, ihnen mit dem jungen Afghanen Ebrahim Rezai in der Versammlung ein Gesicht geben. Dass sich am Nachmittag im Begegnungscafé der geplante Besuch wie ein Lauffeuer herumgesprochen hatte, und am Abend neben Mitgliedern des CDU-Ortsverbands knapp zwei Dutzend Flüchtlinge im Gasthaus Schröer saßen, hatte Jonas wohl nicht vermutet.
Es waren viele „Gesichter“, mit denen Karliczek konfrontiert wurde, Menschen, die der Bundespolitikerin sagen wollten, was in Westerkappeln alles nicht rund läuft. „Bitte helfen Sie“, sagte eine 55-Jährige unter Tränen. Die Frau aus dem Irak ist seit acht Monaten in der Gemeinde und scheint wie viele andere der Verzweiflung nahe, da außer „essen, trinken, schlafen und warten“ nichts passiere. Die Unterbringung von Kranken und Schwangeren in kleinen Zimmern und schlechten Häusern kam ebenso zur Sprache wie das endlose Warten auf Ausweise und die Möglichkeit, einen Sprachkursus zu besuchen oder zu arbeiten. Ein Mann aus Syrien fühlte sich gar gehalten wie ein Tier.
Doch auch die Helfer fühlen sich im Stich gelassen. „Die Leute vom Arbeitskreis Asyl und vom Verein Wabe machen ganz ganz viel, aber wir gehen auch langsam auf dem Zahnfleisch“, stellte die Familienpatin Sigrid Mähler nachdrücklich klar, dass die Ehrenamtlichen mit ihrem vielstündigen Engagement inklusive Fahrten zum Integrationsamt nach Steinfurt, Begleitung der Flüchtlinge bei Arztbesuchen und vielem mehr zusätzlich zum eigenen Privatleben mit Familie, Job und Haushalt am Limit seien.
Für Anja Karliczek waren die berührenden Szenen im Gasthaus Schröer nicht neu. Sie hatte sie bereits in anderen Orten erlebt. „Wir sind gezwungen, Regeln zu schaffen“, versuchte sie den Asylsuchenden klar zu machen und bat beinahe ebenso gebetsmühlenartig um Verständnis und Geduld wie sie den Frauen und Männern versicherte, dass sie in Deutschland willkommen seien.
„Es geht alles leider nicht so schnell, wie wir es uns wünschen“, räumte sie ein, bezog aber auch deutlich Position, was die Beschäftigung und die Arbeitsaufnahme der Flüchtlinge angehe. „Wir haben bei uns knapp drei Millionen Arbeitslose“, stellte sie klar, dass Deutschland seine eigenen Langzeitarbeitslosen auch nicht im Stich lassen dürfe. „Wir müssen die Waage halten, dass die Stimmung nicht umkippt und gegen Flüchtlinge gepestet wird“, betonte Karliczek.
„Die bürokratischen Hürden für eine Arbeitsaufnahme sind einfach zu hoch“, findet Wolfgang Jonas und bat den Afghanen Rezai von seinem Kampf gegen behördliche Windmühlen zu erzählen. Trotz aller Integrationsbemühungen scheitert der 23-Jährige, der seit 14 Monaten in Deutschland ist, an den Hürden der Bürokratie. Da er immer nur eine Aufenthaltsverlängerung für einen Monat erhalte, könne er sich nicht an einer Hochschule einschreiben, um Elektrotechnik zu studieren, bedauerte der junge Mann, der gerne Ingenieur werden möchte.
„Es ist gut, wenn Bundespolitiker mit den Problemen vor Ort konfrontiert werden“, zog Wolfgang Jonas ein positives Fazit des gut zweistündigen Abends.
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