Stadtrundgang zu den Spuren jüdischen Lebens
Gummersbach: Juden in Ahlen voll integriert
Ahlen
Den Spuren jüdischen Lebens folgte ein Stadtrundgang unter der Führung von Dr. Hans Gummersbach.
„Die Juden in Ahlen waren voll integriert.“ Unter diese Kernbotschaft stellte Dr. Hans Gummersbach seine Führung am Samstagmorgen im Rahmen der „Woche der Brüderlichkeit“ zu den Spuren jüdischen Lebens in Ahlen bis 1939, als der Ahlener Stadtrat am 6. Oktober in einem Beschluss feststellte, die Stadt sei „judenrein“.
Bei der Begrüßung in der Familienbildungsstätte stellte sich Gummersbach als Junge von der Hansastraße vor, wo seine Eltern eine Metzgerei betrieben. In seinem vom Großvater erbauten Elternhaus habe es im Dachgeschoss eine Wohnung gegeben, in der eine alleinstehende Frau namens Frieda David gewohnt habe, deren Mann im Ersten Weltkrieg fiel; zuvor war bereits das einzige Kind bei einem Sturz ums Leben gekommen. Das Woll- und Kurzwarengeschäft, das die Witwe 1927 nebenan anmietete, sei in der Reichspogromnacht von den SA-Schlägertrupps verwüstet worden. Nach einem zwangsweisen Zwischenaufenthalt in Aachen sei Frieda David 1942 deportiert und ermordet worden.
Dieses Beispiel eines Schicksals einer einfachen Frau, deren Ehemann den „Heldentod“ gestorben ist, und die man später kalt enteignet und im KZ ermordet habe, steht beispielhaft für viele Lebenswege von Mitgliedern der Ahlener jüdischen Gemeinde.
Auch wohlhabenden Juden sei es nicht besser ergangen. Hans Gummersbach machte bei seinem Rundgang Station vor dem früheren Geschäft Jürs, heute H & M, das bis 1938 unter dem Namen Althoff das erste Kaufhaus gewesen sei. Der Geschäftsführer Heinrich Sänger sei bei der Kundschaft sehr beliebt gewesen. Auch Sänger und seine Frau Else wurden 1942 erst nach Theresienstadt, dann nach Auschwitz deportiert und ermordet. Ihr Sohn Hans emigrierte rechtzeitig nach Palästina.
Familien wie die Sängers, die in der Stadtgesellschaft völlig integriert gewesen seien und dem Vorstand der Feuerwehr oder des DRK angehörten, hätten sich nicht vorstellen können, verfolgt, deportiert und ermordet zu werden. Gleichwohl habe es auch mutige Ahlener gegeben, wie den Kaufmann Josef Ostermann, der gegenüber der NSDAP-Ortsleitung kein Blatt vor den Mund nahm, als er von Sangesbrüdern bezichtigt wurde, bei einem Treffen Wurst von einem jüdischen Metzger gekauft zu haben. „Es spricht einiges dafür, dass es in der katholischen Bevölkerung eine stille Opposition gegen die Nationalsozialisten gegeben hat“, meinte Gummersbach.