Trotz 4,5 Millionen Euro vom Land für Rathausneubau
Krieg treibt Kosten weiter hoch
Ahlen
Der Abriss der Piusbrücke im Jahr 2013 zeitigt Spätfolgen: Bodenproben haben ergeben, dass das Erdreich am östlichen Werseufer mit Kohlenwasserstoffen kontaminiert ist und im Zuge des Stadthausneubaus ausgetauscht werden muss. Auch der Ukraine-Krieg ist ein Kostentreiber.
Gute und schlechte Nachrichten hatte die Verwaltung am Dienstag für die Mitglieder des Stadtentwicklungs- und Planungsausschusses zum Thema „Bürgercampus“. Die erfreulichste: Die Stadt hat von der Bezirksregierung die schriftliche Zusage über 4,456 Millionen Euro aus Städtebaufördermitteln des Landes für den Neubau des Stadthauses erhalten.
Ein Zuschuss in dieser Höhe zu den reinen Planungskosten sei nicht unbedingt zu erwarten gewesen, stellte Stadtbaurat Thomas Köpp zufrieden fest. Zumal für den ganzen Regierungsbezirk Münster nur 50 Millionen zur Verfügung stünden. Deshalb hat auch ein anderes Projekt zunächst das Nachsehen: Für die Umgestaltung des Dr.-Paul-Rosenbaum-Platzes wird Ahlen voraussichtlich in diesem Jahr nicht auch noch Geld aus Düsseldorf bekommen. Vielleicht 2023. Köpp erklärte, er sei diesbezüglich „guten Mutes“.
Eine weitere „Quelle“ will die Stadt bei der Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) „anzapfen“. Unmittelbar nach der Ankündigung von Bundeswirtschaftsminister Robert Habeck, den von ihm im Januar abrupt gedeckelten Fördertopf für energieeffiziente öffentliche Neubauvorhaben doch wieder aufzumachen, habe man am 20. April 1,343 Millionen Euro als Zinstilgungszuschuss beantragt, informierte der Leiter des städtischen Gebäudemanagements (ZGM), Florian Schmeing, den Ausschuss. Thomas Köpp rechnet auch in diesem Fall ganz stark mit einer Bewilligung.
Das große Aber, das diesen vom Kämmerer in seinem Finanzierungskonzept noch gar nicht eingepreisten Einnahmen gegenübersteht: Der Rathausneubau wird sich weiter verteuern, die vom Rat mit dem Baubeschluss vom 4. November 2021 festgesetzte Kostenobergrenze von 44 Millionen Euro wohl gerissen. Es sei denn, diese Möglichkeit deutete der Technische Beigeordnete an, die Städtebaufördermittel werden drauf gerechnet, um die Mehrausgaben zu kompensieren. Die Alternative wäre ein neuer Baubeschluss – letztlich eine politische Entscheidung.
Stadtbaurat Thomas Köpp
Schon werden die Stimmen lauter, die fordern, die Notbremse zu ziehen. Der Antrag von FWG-Chef Heinrich Artmann, die Planung auf ein „reines Bürogebäude“ an einem anderen Standort zu reduzieren und die Anmietung von Leerständen in der Innenstadt für den Bürgerservice zu prüfen, liegt auf dem Tisch. Auch die Fraktionsvorsitzende der Grünen, Petra Pähler-Paul, sagt, man müsse „das Projekt an sich überdenken“. Scharf kritisierte sie, dass die ursprünglich für März zugesagte Kostenberechnung des Architekturbüros Gerber zwar nach Auskunft von Florian Schmeing mittlerweile seit einer Woche vorliegt, der Politik aber nun erst im Juni präsentiert werden soll. Hierfür übernahm Köpp die Verantwortung: „Ich habe die Entscheidung getroffen, dass wir die Zahlen noch nicht rausgeben, weil wir sie noch verifizieren müssen.“ Auch, so der Stadtbaurat frank und frei, damit er selbst sie verstehe. Deshalb habe man noch einmal eine umfassende und differenzierte Kostenstrukturanalyse beim Projektsteuerer angefordert. „Das hat natürlich Auswirkungen auf den Zeitplan“, räumte Schmeing ein. Immerhin: Die Entwurfsplanung sei abgeschlossen, so der ZGM-Chef.
Vielfältige Gründe für Verteuerung
Die Gründe für die Verteuerung des Stadthausneubaus sind vielfältig und überwiegend schon dargestellt worden. Dazu gehört der Umstand, dass Niederschlagswasser nicht mehr in die Werse abgeleitet werden und auch nicht einfach versickern darf, sondern kontrolliert der Kanalisation zugeführt werden muss, wofür mit Blick auf mögliche Starkregenereignisse sogenannte Stauraumkanäle angelegt werden müssen.
Ins Kontor schlagen auch die Entsorgungskosten für den zum Teil schadstoffbelasteten Bodenaushub im Bereich des Baufeldes. Nur an einer Stelle ist laut Gutachten die Kontamination mit toxischen Kohlenwasserstoffen allerdings so hoch, dass ein vollständiger Austausch des Erdreichs bis auf den Mergelgrund erforderlich ist. Die 242 Quadratmeter große Fläche grenzt unmittelbar an das östliche Werseufer, auf Höhe des Mitarbeiterparkplatzes am Rathaus-Hintereingang. Mutmaßlich geht die Verunreinigung auf den Abriss der Piusbrücke im Jahr 2013 zurück. Was insgesamt die Bodenproblematik angeht, habe man es zum Glück aber mit einem „milderen Verlauf“ zu tun als vielleicht zu befürchten gewesen wäre, diagnostizierte Florian Schmeing.
Martin Hegselmann (CDU)
Völlig unkalkulierbar sind hingegen zurzeit die Auswirkungen des Ukraine-Krieges auf die weitere Entwicklung der Energie- und Baustoffpreise. Martina Maury (BMA) berichtete aus ihrer beruflichen Erfahrung als Architektin, für manche Materialien wie Stahl würden inzwischen Tageskurse aufgerufen. Martin Hegselmann (CDU) meinte: „Wir müssen eigentlich morgen anfangen zu bauen.“ Stadtbaurat Thomas Köpp warb dafür, gemeinsam zu überlegen, „wie wir damit umgehen“. Sein Vorschlag wäre, „dass wir weitermachen, ausschreiben und uns dann die Ergebnisse angucken“. Köpp gab zu: „Wir wissen nicht, was in vier oder acht Wochen oder in einem halben Jahr passiert.“ Sogar Petra Pähler-Paul konzedierte, in diesem Punkt treffe die Verwaltung keine Schuld. Niemand habe mit dem Krieg rechnen können.
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