Ahlen
Schüler hören auf den „Kommissar“
Ahlen - „Ok, dann lasst uns mal den Drehort besichtigen“, sagt Dirk Heinrichs zu seiner Filmcrew. Vor der „Location“ (engl: Ort der Handlung) sprechen die Darsteller ihre Rollen durch. Für „Oberkommissar Lenny Winkler“ aus der für den Grimme-Preis nominierten Fernsehserie „Die Sitte“ eine normale Situation. Nur dass die Handlung diesmal an der Johanna-Rose-Schule in Ahlen spielt.
Der Fernsehmime fordert die Kinder auf, ihre Erlebnisse mit Gewalt zu schildern. Es sind Schüler der siebten Klassen, die bei dem Gewaltpräventionsprojekt der Förderschule mitmachen. „Wenn die Großen auf der Toilette rauchen und wir müssen da mal hin, gibts fast immer Stress“, berichtet der 13-jährige Kevin (alle Namen geändert) dem Schauspieler. „Lasst uns das in einer Filmszene darstellen“, schlägt der vor. Gemeinsam gehen die Schüler in die Klasse und brüten die Szene aus. „Heinrichs holt die Kinder ab, wo sie stehen“, freut sich Klassenlehrer Axel Krois. Der Kölner Schauspieler trifft die Sprache der Schüler.
Zur Einstimmung und um unrealistische Vorstellungen abzubauen, führt er den selbst produzierten Dokumentarfilm „Leben ohne Freiheit“ vor. „Darin zeige ich das Leben im Jugendknast, ohne es zu schönen - einfach nur den Alltag“, berichtet der Kölner. Es ist sein Ziel, das Selbstwertgefühl von Kindern und Jugendlichen zu stärken und deren kreatives Potenzial zur Gestaltung des eigenen Lebens zu öffnen. „Das war der Auslöser für die Gründung von ,Sprache gegen Gewalt e.V., wenn wir ein Zusammenleben der Gegensätze in gegenseitigem Respekt erreichen wollen, muss die Gesellschaft das Miteinander vermitteln und Vorbilder bieten, die gefühlsmäßigen Rückhalt gewährleisten“, führt der Schauspieler aus.
„Wir könnten das Ganze doch mit dem Handy filmen, das ist dann gut zu verbreiten und irgendwie echter“, schlägt Mustafa vor. Noch sind sich die Schüler nicht so ganz einig, welcher Vorfall festgehalten werden soll. Nicole meint, es sei besser den Stress, der oft auf dem Spielplatz herrscht, zu bringen. Die Diskussion ist hitzig, aber fair. Schulsozialarbeiterin Caroline Nischk und der Klassenlehrer haben ein Auge darauf, doch eingreifen müssen sie selten. Gebannt folgen die Jugendlichen dem Profi.
„Vor etwa einem Jahr hatten wir den ersten Kontakt mit dem Verein ,Sprache gegen Gewalt und Dirk Heinrichs. Damit können wir ein wunderbares Präventionsprojekt auf die Beine stellen“, ist sich die Sozialarbeiterin sicher. Es ist auf Nachhaltigkeit angelegt. Denn wie im Krimi folgt nach der Besprechung irgendwann der Dreh und dem folgt der Schnitt. „Das macht Heinrichs und kommt dann mit dem fertigen Film zurück“, freut sich Nischk schon jetzt auf das Ergebnis.
„Wir haben nicht mehr Gewalt als an anderen Schulen auch. Es ist für uns einfach eine gute Möglichkeit, den Schülern Strategien zur Vermeidung von Gewalt näher zu bringen“, sagt Lehrer Krois.
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