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Luftfahrt-Historiker recherchiert Ahlener Agentenschicksal

Wrackteile nach 70 Jahren entdeckt

Ahlen / Schwege

Der Luftfahrt-Historiker Martin Frauenheim hat das Schicksal des Agenten Kurt Gruber recherchiert. Der Ahlener Bergmann spionierte während des Zweiten Weltkriegs für die USA und kam am 20. März 1945 bei einem Flugzeugabsturz ums Leben.

Christian Wolff

Die Kiste mit verbogenen, teils verrosteten Metallteilen erweckt nicht gerade den Anschein von großem Wert. Doch für Martin Frauenheim sind sie wie ein Schatz. „Es sind Belege für eine der unglaublichsten Agentengeschichten des Zweiten Weltkriegs“, sagt der Luftfahrt-Historiker. Die Teile, die Frauenheim auf einem Acker bei Schwege fand, gehören zu einer US-Militärmaschine, die vor 70 Jahren abstürzte. In ihren Trümmern starben fünf Männer. Einer von ihnen war der Agent Kurt Gruber, der zuvor als Bergmann in Ahlen gelebt hatte.

Bereits vor acht Jahren sorgte der Fall für Aufsehen, als im Rathaus eine Anfrage aus den USA einging: Gesucht wurden Nachfahren Grubers, denn dem lange verschollen geglaubten Kommunisten s ollte eine posthume Ehrung zuteil werden. „Leider hat sich niemand gemeldet“, sagt Christoph Wessels, Fachbereichsleiter für Schule, Kultur und Weiterbildung in Ahlen.

Schon seit Jahrzehnten hat sich Martin Frauenheim mit diesem Fall beschäftigt. Er sammelte Berichte der Alliierten und wertete sie aus. Höhepunkt war Ende 2014 die Lokalisierung der genauen Absturzstelle im Wittlager Land. Gemeinsam mit seinen Kollegen Matthias Zeisler und Johannes Haunert sicherte der Historiker inzwischen unzählige Beweisstücke. „Es steht mittlerweile fest, dass die Maschine, die Gruber an Bord hatte, am frühen Morgen des 20. März 1945 gegen 1 Uhr abgestürzt ist“, so Frauenheim im Gespräch mit der „AZ“.

Wie die erhaltenen Akten belegen, wurden deutsche Widerstandskämpfer und Emigranten gezielt angeworben. Für eine Aktion war die Maschine mit Gruber im englischen Harrington gestartet. Als es dort bis 6.15 Uhr am nächsten Morgen keine Rückmeldung vom Verbleib der „A 26“ gab, wurde das Flugzeug als überfällig und möglicherweise als vermisst („Missing in Action“) gemeldet.

Erst am Nachmittag des 20. März erklärte sich dann der nächtliche Knall, den Anwohner in Schwege vernommen hatten. Der Flugzeugabsturz nahe dem Gehöft Kruse hatte ein Bild des Schreckens hinterlassen, wie Frauenheim von einem inzwischen verstorbenen Zeitzeugen erfuhr. Familie Kruse und ein Ukrainer, der zu dieser Zeit auf dem Bauernhof untergebracht war, entdeckten demnach die verstreuten Wrackteile des Agentenflugzeugs.

Offenbar schlug die „A 26“ in einem flachen Winkel auf den Boden auf, überschlug sich mehrere Male, bis sie in einem kleinen Bach liegen blieb. „Fünf zerfetzte Körper lagen verstreut nahe dem Wrack“, so Frauenheim. „Der Agent und ein Besatzungsmitglied lagen nahe dem Rumpf, ein Körper in 50 Metern Entfernung in einer Wiese, ein weiterer schwamm im wasserdurchtränkten Moorgebiet.“ Der fünfte Mann müsse durch den Aufprall weggeschleudert worden sein.

„Die Besatzung des abgestürzten Flugzeugs trug militärische Erkennungsmarken, während Agent Gruber in Zivilkleidung einen Pass bei sich trug, der ihn als Pavel Nowak mit tschechischer Staatsangehörigkeit auswies“, hat der Luftfahrt-Experte Martin Frauenheim durch Zeugenaussagen und Dokumente recherchiert. „Nowak besaß gefälschte Empfehlungsschreiben und Dokumente von den Hermann-Göring-Werken in Prag, die ihn in eine Fabrik in Mülheim bringen sollten.“ Die Polizei stellte nach dem Absturz Papiere, Schablonen, Kopfhörer und das Mikrofon eines besonderen Kleinstfunkgerätes, ferner 7000 Reichsmark und einen kleineren Betrag in britischen Pfundnoten sicher. Sie überstellten die Leiche der Geheimpolizei. Die vier Besatzungsmitglieder und etwas später auch der Agent Kurt Gruber wurden auf dem Soldatenfriedhof Achmer beigesetzt.

Posthum wurde dem Agenten Gruber die „Medal of Freedom“ verliehen. Viel später, nachdem das OSS bereits von der CIA übernommen worden war, informierten die Amerikaner die Witwe von Kurt Gruber über den Tod ihres Ehemannes, ohne die genauen Umstände zu erläutern. Sie erhielt eine Entschädigung von 3000 Dollar. Inzwischen wissen Fachleute, dass der Ahlener auch unter den Namen Karl Grimm, Pavel Nowak und Karl Macht unterwegs war.

„Die Umstände von Kurt Grubers Tod wurden erst vor wenigen Jahren öffentlich, als das OSS Dokumente über den Absturz des Agentenflugzeuges in Schwege für die historische Forschung freigegeben hatte“, erklärt Frauenheim. Er plant jetzt, seine Erkenntnisse in einem Buch niederzuschreiben. „Faszinierend finde ich, dass wir nach 70 Jahren immer noch Dinge finden, die sich so eindeutig zuordnen lassen.“

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