Helmut Winterscheid legt Band 4 von „Quellen und Forschungen zu Drensteinfurt“ vor
Vikar Wiesmann war ein Tausendsassa
Drensteinfurt
Der Person von Vikar Johann Edmund Wiesmann und seinem „Schwarzen Buch“ galt das besondere Interesse von Helmut Winterscheid. Die Ergebnisse seiner Forschungen legte er in Band 4 der „Quellen und Forschungen zur Drensteinfurt“ vor.
Die Mühlen der Justiz mahlen nicht erst seit heute langsam. Auch im 19. Jahrhundert wussten Prozessparteien ein Lied davon zu singen. Das gilt auch für einen Rechtsstreit zwischen den beiden Adelsfamilien von Landsberg und von der Recke, die Anspruch auf das Haus Steinfurt erhoben und einen fast fünf Jahrzehnte währenden Rechtsstreit vor dem Reichsgericht in Wien um den rechtmäßigen Anspruch um den Adelssitz in Drensteinfurt und besonders um das Lehnvermögen ausfochten.
Schriftenreihe „Quellen und Forschungen zu Drensteinfurt“
Doch nicht dem Rechtsstreit galt das Interesse von Helmut Winterscheid, sondern der Person von Johann Edmund Wiesmann und seinem „Schwarzen Buch“. „Im Sommer 2010 hatte ich Vikar Wiemanns Buch zum ersten Mal vor Augen“, schreibt Winterscheid im Vorwort zu dem jetzt im Rahmen der Reihe „Quellen und Forschungen zu Drensteinfurt“ herausgegebenen vierten Band, den Bürgermeister Carsten Grawunder und Stadthistoriker Dr. Ralf Klötzer in Anwesenheit des Autor am Montagmorgen vorstellten.
Er sei ganz angetan gewesen von der „angenehm zu lesenden Schrift und der augenfällig systematischen Ordnung des Buches, das seinen Namen allein dem „zwarmarmorirten Papir“ verdankt. „Es war damals üblich, eine Tapete für den Einband zu benutzen“, erläuterte Klötzer.
Bei näherer Beschäftigung mit dem „Schwarzen Buch“ stieß Winterscheid, der sich bereits mit den Walstedder Hypothekenbüchern Band I bis III als Autor in die städtischen Schriftenreihe eingetragen hat, auf viele interessante Details über historische Besitz- und Rechtsverhältnisse in Drensteinfurt. „Das war viel zu schön, um sie in den Schubladen zu belassen“, erklärte der Ruheständler seine Motivation, sich weiter durchzuarbeiten.
Vikar mit buchhalterischen Fähigkeiten
2020 sei der Entschluss gereift, das Niedergeschriebene für eine Veröffentlichung in Form zu bringen. Die Herausgeberschaft habe dankenswerterweise die Stadt, das „komplexe“ Lektorat Klötzer übernommen.
„Dieser Vikar Wiesmann war ein Tausendsassa“, beschrieb Winterscheid den Chronisten. Der gebürtige Sassenberger (1741) wurde 1768 als Vikar in Walstedde eingeführt. Weil der junge Vikar auch über buchhalterische Fähigkeiten verfügte, wurde Wiesmann nicht nur bald Vikar der Catharinen-Vikarie an der der Drensteinfurter Pfarrkirche, sondern Patronatsherr Franz-Engelbert von Landsberg stellte ihn bald auch als seinen Rentmeister ein.
Rechtsstreit um Lehnvermögen
Weil sich der Patronatsherr, der der weiblichen Linie der Landsberg entsprungen war, einem Rechtsstreit mit der Familie von der Recke-Stockhausen ausgesetzt sah, die Anspruch auf das Lehnvermögen des Hauses Steinfurt erhob, übernahm Wiesmann es, sämtliche Rechtsverhältnisse des Hauses Steinfurt und der von Boeselager in Heessen darzustellen und dem Prozessbeauftragten beim Reichshofrat in Wien zur Verfügung zu stellen. Das war die Geburtsstunde für das „Schwarze Buch“ Wiesmanns von 1803.
Die Gebrüder von der Recke-Stockhausen wollten nicht nur die Frage geklärt wissen, ob „Mann-Lehen“ auch über die weibliche Seite vererbbar waren, sondern warfen auch die Frage auf, ob diese Lehen nicht über die Jahrhunderte womöglich zweckentfremdet oder geschmälert worden waren.
Mit der Bauernbefreiung 1807 beendete der Preußische Staat die Lehenswirtschaft – und das den von der Reckes gerichtlich zugesprochene Lehnvermögen des Hauses Steinfurt war mit einem Strich passé.
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