Buch-, Schreib- und Spielwarengeschäft Föllen schließt
Ein geplatzter Traum
Everswinkel
Vor fünf Jahren ging Julia Föllen an den Start und realisierte mit der Übernahme des Geschäfts Kieskemper ihren Traum von der Selbstständigkeit. Bücher, Spiel- und Schreibwaren bildeten das Sortiment. Dazu kamen viel Engagement, Kreativität und Kundenservice. Ein Gewinn fürs Vitus-Dorf. Doch nun geht die Geschichte zu Ende. Gezwungenermaßen.
Es ist kurz nach 10 Uhr, und im Geschäft ist es schon rummelig, als stünde Weihnachten unmittelbar bevor. Etwa 20 Kunden gleichzeitig schlendern an Regalen und Tischen vorbei, lassen die Blicke schweifen und füllen kleine Einkaufskörbe. Fast nonstop klingelt die Kasse, werden Bargeld oder Bankkarten gereicht. Parallel läutet das Telefon fast unentwegt. Keine Chance für die Anrufer, denn Julia Föllen hat alle Hände voll zu tun. Rush Hour am Montagmorgen in der Buchhandlung und dem Schreib- und Spielwarengeschäft Föllen. Und die Chefin meistert den Ansturm allein. Für jeden Käufer gibt's Rabatt und ein freundliches Lächeln. Dabei ist Julia Föllen eigentlich gar nicht zum Lächeln zumute. Es ist Räumungsverkauf. Finale vor dem Feierabend.
Julia Föllen, Inhaberin
„Wenn es immer so gewesen wäre, würde ich heute hier nicht so stehen“, blickt die Inhaberin auf den Kundenandrang, den sie zu anderen Zeiten gut hätte gebrauchen können. Jetzt ist es zu spät. Zu spät für ein eigentlich beliebtes und für Everswinkel wichtiges Geschäft. 2018 war es, als Julia Füllen den Sprung in die Selbstständigkeit wagte und zusammen mit ihrem Mann Andreas das Spiel- und Schreibwarengeschäft Kieskemper an der Vitusstraße übernahm. „Ich wollte mich eigentlich mit einem kleinen Buchladen vor Ort selbstständig machen“, dann wurde es ein großes Geschäft, erzählte Julia Föllen damals.
Das Geschäft wurde schnell „zu unserem Herzensprojekt“. Arbeit, Kreativität und Liebe wurden hineingesteckt, und das war auch zu erkennen. Das ausgesuchte Sortiment, die persönliche Beratung, die Dekoration, die eigenen Veranstaltungen machten den Laden zu einem besonderen Anlaufpunkt im Historischen Viereck. Dann kam der erste wirtschaftliche Tiefschlag: Corona. Schließungsphase, Umsatzeinbruch. „Unser großes Glück ist, dass mein Mann seinen Job noch hat“, kommentierte Julia Föllen im März 2020 den plötzlichen Shutdown. Andreas Föllen ist Berufskraftfahrer. Mit einem Direktbestell- und Lieferservice hielt sie das Geschäft gerade über Wasser. Corona und die Einschränkungen blieben zwei Jahre, dann kamen der Ukraine-Krieg, die Energiekostenexplosion. „Als sich alles ein wenig normalisiert hat und wir dachten, wir hätten das Schlimmste überstanden, mussten wir feststellen, dass wir gegen viele Dinge wie das Internet und Discounter nicht ankämpfen können.“
In den vergangenen Wochen wurde das Ladenlokal schon über Ebay-Kleinanzeigen angeboten zur Vermietung oder auch zum Verkauf. 324 Quadratmeter, davon 294 Quadratmeter Verkaufsfläche. Die Vermittlung des Objektes wurde jetzt einem Makler übertragen. Die Entscheidung über die Geschäftsaufgabe wollte das Ehepaar Föllen „nicht länger rausziehen und noch einigermaßen da rauskommen“. Die Angestellten – zuletzt Heike Kortenjann – sind schon weg. Eigentlich hätte man schon vor drei Jahren zu Corona auf die Angestellten verzichten müssen, „aber das macht man ja nicht, das bringt man nicht übers Herz“.
„Das ist ein wichtiges Geschäft vor Ort für Schulkinder, Familien und Vereine“, hatte Bürgermeister Sebastian Seidel zum Start im April 2018 betont. Das sehen auch viele Vitus-Bürger so. Die Kommentare auf der Facebook-Seite, auf der Julia Föllen am späten Sonntagabend die Nachricht verkündete, geben davon einen Eindruck. „Oh wie furchtbar“, „Das ist eine Katastrophe für Everswinkel“, „Ein immenser Verlust für Everswinkel“, „Das ist so unendlich traurig“, „Bin gerade echt schockiert“ und viele mehr.
Für Julia Föllen ist es „ein geplatzter Traum. Ich habe gedacht, dass das Geschäft für Everswinkel richtig ist – aber die Größe ist es nicht so.“ An der Kasse erhält sie an diesem Morgen viel Zuspruch und erntet viel Bedauern, dass dieses Geschäft für Everswinkel verloren geht. Und natürlich wird sie gefragt, was sie künftig machen wird. Sie will in ihren alten Beruf als Buchhändlerin zurückkehren.
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