Haushaltsabschluss 2022 mit Überschuss statt Defizit
Ein vollmundiger Jahrgang
Everswinkel
Weinfreunde lauschen Jahr für Jahr gespannt den Worten der Winzer aus ihren bevorzugten Anbaugebieten. Wie fällt der neue Jahrgang aus? Wie war die Ernte, wie ist die Qualität? Der Jahrgang 2022 der Gemeinde fällt ausgesprochen gut aus. Von der Gewerbesteuer gut beschienen, zeigt er sich in der Kasse vollmundig mit nachhaltigem Abgang. Optisch glänzt er golden wie eine satte Riesling-Auslese, in der Nase duftet er nach reichlich Moos.
Es ist der beste Abschluss der letzten Jahre. Auf 2,388 Millionen Euro beläuft sich der Jahresüberschuss am Ende. Eigentlich war seinerzeit bei der Haushaltsaufstellung für 2022 ein Defizit unterm Strich von 1,262 Millionen Euro prognostiziert worden. Kein Wunder, dass Bürgermeister Sebastian Seidel bei der Vorlage des Jahresabschlusses im Gemeinderat von einem „sehr erfreulichen Ergebnis“ sprach. Insgesamt wurden Erträge von 25,13 Millionen Euro erzielt gegenüber Aufwendungen in Höhe von 22,75 Millionen Euro. Allein die Gewerbesteuer, die mit 6,2 Millionen Euro kalkuliert worden war, lag am Ende zwei Millionen Euro über Plan. „Das ist den Betrieben mit ihren fleißigen Mitarbeitern zu verdanken“, schickte Seidel einen Gruß an die heimische Wirtschaft. Das Ergebnis von 2021, als 9,19 Millionen Euro in der Kasse geklingelt hatten, wurde allerdings um fast eine Million verfehlt.
Mehrerträge resultieren zudem aus Zuwendungen und allgemeinen Umlagen von 564 000 Euro, davon allein 300 000 aus der Landeszuweisung für Corona-bedingte Belastungen sowie 277 000 Euro mehr aus der Einkommensteuer. Ein weiteres großes Plus von 940 000 Euro gegenüber dem Ansatz entspringt den privatrechtlichen Leistungsentgelten, über 907 000 Euro allein aus den Grundstücksverkäufen im Baugebiet Bergkamp III. Minderausgaben von 1,35 Millionen Euro gegenüber der Ursprungskalkulation wurden bei den Aufwendungen für Sach- und Dienstleistungen (Sanierung bzw Instandhaltung Grundstücke und bauliche Anlagen, Unterhaltung Infrastruktur, Aufwendungen Dienstleistungen) verzeichnet. Dagegen musste die Gemeindeverwaltung fast 178 000 Euro mehr fürs Personal ausgeben, verursacht durch Tarifsteigerungen, Höhergruppierungen sowie die Besetzung vakanter Stellen.
Bürgermeister Sebastian Seidel
In der Analyse weisen Kämmerin und Bürgermeister auf die Jahre 2020 und 2012, die durch die Corona-Pandemie geprägt waren, und auf den Ukraine-Krieg 2022 hin. Beide Ereignisse hätten zu Lieferengpässen und einer angespannten Wirtschaftslage geführt mit der Folge „stark steigender Verbraucherpreise“ und der Energie als „größtem Preistreiber“. Dazu kamen Mindestlohn und ein steigender Leitzins der Europäischen Zentralbank mit steigenden Kreditzinsen. Beunruhigend sei die hohe Inflationsrate. „Sie erschwert zunehmend eine seriöse Kalkulation von Bauvorhaben“, was sich auch auf Projekte in der Gemeinde auswirke. „Für nahezu sämtliche Bauvorhaben muss mit deutlichen Preissteigerungen gerechnet werden, die den Haushalt der Gemeinde in den kommenden Jahren belasten werden.“
Kämmerin Susanne Nerkamp
Den Gemeindehaushalt drücken überdies die zunehmenden Ausgaben für soziale Leistungen, unter anderem auch dadurch verstärkt, dass die ukrainischen Flüchtlinge Leistungen nach dem SGB II beziehen. Und ob es bei den erfreulichen Erträgen bei der Gewerbesteuer bleibt, ist alles andere als sicher. Für die Hälfte der Steuereinnahmen sorgen gerade mal zehn der insgesamt 369 Betriebe in der Gemeinde. „Insbesondere in Kriegs- und Inflationszeiten kann es hier schnell zu größeren Veränderungen kommen“, so dass eine seriöse Prognose gar nicht möglich sei, so die Kämmerin.
Doch zurück zum Jahresergebnis: Gestiegen sind zum Ende des vergangenen Jahres die Bilanzsumme (um 3,3 Millionen auf 77,36 Millionen Euro), die Liquidität der Gemeinde (um 1,44 Millionen auf 11,41 Millionen Euro) sowie die Eigenkapitalquote (um 1,3 Prozent auf 40,3 Prozent). Für Kämmerin Susanne Nerkamp kommt der Haushaltsabschluss der Idealvorstellung nahe: „Gute Erträge, überschaubare Aufwendungen, steigendes Vermögen und möglichst keine Schulden.“ Genauso denkt auch ein Winzer.
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