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Spaß an der Loburg

Gelungener Rundumschlag

Ostbevern

Der Kabarettist Christoph Tiemann ist in Ostbevern aufgetreten. Der Mann mit Wurzeln im Ruhrgebiet mit Münsteraner Wahlheimat wusste das Publikum mit sprachlicher Brillanz und satirischem Feinsinn zu fesseln.

Axel Engels

Christoph Tiemann auf Einladung des Kulturforums in die Aula des Gymnasiums Johanneum gekommen. Foto: Axel Engels

Christoph Tiemann kennt man als Schauspieler, Sprecher, Autor und Moderator. Mit seinem satirischen Wochenrückblick im WDR 2 sorgte er als wortgewandter Vertreter der Kabarettistenzunft für Furore. Seit seinem ersten Soloprogramm „Kabarettverbot“ hat er auch auf diesem Gebiet Auszeichnungen gesammelt wie „Normalsterbliche“ vielleicht Briefmarken. Auf Einladung des Kulturforums war er am Dienstagabend in die Aula des Gymnasiums Johanneum gekommen und holte mit nunmehr dritten Programm „Angriffslustig“ zum Rundumschlag auf alles aus, was sich zwischen Gott, Politik und Gesellschaft für wichtig hält. Von Trump bis Erdogan reichten seine Opfer, bei denen er genüsslich sein kabarettistisches Seziermesser anlegte und in die von ihm geschlagenen Wunden süffisant noch Salz streute. Dabei brauchte er nicht den üblichen erhobenen Zeigefinger, seine tief schwarzen Analysen zeigten einen fundierten Blick hinter die Kulissen.

Als Aufwärmpart nutzte er eine mit NRW-Flagge unterstützte Analyse der heimischen Gattungen von Rheinländer bis Sauerländer, vom Kohlenpott bis zum tiefen Westfalen schweifte dabei sein Blick. Mit dem jeweils passendem Dialekt wusste er seine Angriffe zu untermauern, überzog dabei jedes nur erdenkliche Klischee bis zur Zerreißprobe. Dabei zeigte er durchaus hoch intellektuelle Kenntnisse, seine Übertragung eines Dramas von William Shakespeare in die Gegenwart zeigte die Wirkmechanismen populistischer Macher ganz deutlich. Auch mit Kaiser Barbarossa teilte er seine Abneigung gegen die AfD, schließlich sollt dieser legendäre Kaiser zur Rettung der deutschen Republik ja in Notzeiten wieder auferstehen aus seiner letzten Ruhestätte.

Auferstehen könnten nach Christoph Tiemann auch diverse andere Politiker von Herbert Wehner bis Franz-Joseph Strauss. Denn markante Köpfe hat die Politik in Angesicht der gegenwärtigen Populisten nötig, keine weichgespülten Aktivisten helfen gegen die braunen Umtriebigen. Der Mann mit Wurzeln im Ruhrgebiet mit Münsteraner Wahlheimat wusste das Publikum mit sprachlicher Brillanz und satirischem Feinsinn zu fesseln, sein permanenter und Mitdenken erfordernder Redefluss ließ sich nur von Zwischenapplaus leicht eindämmen. Dass ihm in Angesicht von Donald Trump das Lachen vergeht beziehungsweise im Halse stecken bleibt, war für die gebannt lauschenden Kabarettfans bestens nachvollziehbar. Aber bei den TV-Talkrunden hört für ihn ein friedliches Miteinander wohl auf. Wenn dort sogar die AfD rumtreibt, dann muss man sogar solidarisch sein mit den Vertretern von Bild bis Union, die man früher bekämpfte.

„Angriffslustig“ zeigte sich Christoph Tiemann auf allen Gebieten, er pendelte dabei von der großen Politik immer auch zu den Niederungen der lokalen Welt. Seine historischen Seitensprünge waren einfach köstlich, er deckte mit scharfem Verstand so manche im Alltag untergehende Machenschaften auf. Mit diesem Abend hat das Kulturforum sein Angebot um eine bitterböse Facette bereichert. Intellektuell hochwertiges Kabarett braucht keine Plattitüden, kann eben auch so unterhaltsam sein.

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