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Kolpingsiedlung entstand 1947

35 mutige Männer legten den Grundstein

Telgte

Wohnraum war nach dem Zweiten Weltkrieg knapp. Dies war der maßgebliche Grund, weshalb 1947 der Grundstein für die Kolpingsiedlung gelegt wurde.

Von Bernd Pohlkamp

Aus luftiger Höhe ist die Kolpingsiedlung zu erkennen. Sie ist eingebettet zwischen der Bundesstraße und der Altstadt. Früher gehörte dieses Gebiet zum Kirchspiel der Stadt Telgte. Damit in der Kolpingsiedlung die ersten Häuser 1948 gebaut werden konnten, durften sie die Baumaterialien aus diesem abgebrannten Parteihaus, das sich auf dem Knickenbergplatz befand, verwenden. Dieses Luftbild zeigt die Kolpingsiedlung im Jahr 1957.1963 wurde das Kolping-Denkmal errichtet. Foto: Bernd PohlkampprivatBernd Pohlkamp

35 mutige und entschlossene Männer legten am 1. August 1947 den Grundstein für eine Siedlung, die nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges die große Wohnungsnot auch der Einheimischen beheben sollte: Auf dem Sandknapp in der Bauerschaft Verth rechts der Ems entstand die Kolpingsiedlung. Das heutige Wohngebiet zwischen Westbeverner Straße, Ostbeverner Straße und B 51 gestaltete sich in einer schwierigen Zeit mit der Beschaffung von Grundstücken, Arbeitskräften und Materialien.

In dieser Phase mussten sich die Verwaltungen von Amt und Stadt Telgte ja nicht nur um die Telgter kümmern: Das enorme Bevölkerungswachstum war eine große Herausforderung. Immerhin wurden im Jahre 1949 über 4000 Flüchtlinge gemeldet: 2339 Vertriebene und 1734 Evakuierte. Um diesen Neubürgern einen Wohnraum zu geben, wurden im Kirchspiel zahlreiche Behelfsheime gebaut. So entstand auch die Waldsiedlung Klatenberge und die Besiedlung des Emsesch.

Bei der Kolpingsiedlung engagierte sich die Kolpingsfamilie dabei, einheimischen Bürgern Wohnraum zu bieten. Die erste Initiative zu diesem Bauprojekt hatte die Kolpingsfamilie in ihrer Generalversammlung am 3. Februar 1947 ergriffen. Ihr Vorsitzender, Schneidermeister Wilhelm Hotte, wies auf die Bedeutung der sozialen und gesellschaftlichen Neuordnung hin und forderte die Stadtvertretung und die Gemeindevertretung Kirchspiel auf, geeignetes Gelände am Stadtrand oder innerhalb der Gemeinde als Siedlungsland bereitzustellen. Das war jedoch nicht so einfach, denn Grund und Boden gehörten der Kirche. So kam es am 1. August 1947 im Gesellenhaus zur Gründung einer gemeinnützigen Baugenossenschaft. Die 80 Interessenten kamen vorwiegend aus dem Kreise der Kolpingsfamilie und des Betriebes August Winkhaus.

Versammlungsleiter Wilhelm Hotte begrüßte die Erschienenen, insbesondere Propst Clemens Bringemeier als Ortspfarrer, Vikar Ludger Böggering als Präses der Kolpingsfamilie, Bauer Wilhelm Lütke Schwienhorst als Amtsbürgermeister und Fabrikant August Winkhaus. Wilhelm Hotte schilderte die Notlage, die durch den Zweiten Weltkrieg hervorgerufen wurde, insbesondere auf dem Sektor des Wohnungswesens. Das hatte Ludwig Averdunk im Gründungsprotokoll festgehalten.

40 Jahre lang lag dieses Schriftstück im Haus von Schneidermeister Wilhelm Hotte am Kolpingweg 1 in einer Kellerwand versteckt. Bei Umbauarbeiten entdeckten Handwerker vier Jahrzehnte später eine Zinkhülse im Mauerwerk. Diese enthielt das Protokoll vom 1. August 1947. Darin steht auch geschrieben, dass das Wohnungsproblem eine der dringlichsten Herausforderungen war. Der Zweck der Versammlung war es, eine Körperschaft zu gründen, durch die möglichst vielen Telgtern ein Eigenheim oder eine Wohnung zur Verfügung gestellt werden konnte. Dem Protokoll ist zu entnehmen, dass sich die Kolpingsbrüder darauf verständigten, sich auf genossenschaftlicher Grundlage zusammenzuschließen. Zweck der Genossenschaft sollte es sein, Eigenheime und Siedlungshäuser mit individueller Prägung zu bauen.

Vikar Ludger Böggering, seinerzeit Präses der Kolpingsfamilie, machte deutlich, dass es der Siedlungsgemeinschaft auch darum ginge, den christlichen und den sozialen Gedanken zu vertiefen. Gewerbeoberlehrer Heinrich Hüser erläuterte die Mustersatzung für die Gemeinnützige Baugenossenschaft 1947 zu Telgte eGmbH. Das Eintrittsgeld betrug zehn Reichsmark. Der Geschäftsanteil war auf 300 RM festgesetzt. Ein Mitglied konnte höchstens zehn Anteile erwerben. Fragen der Wohnungszuweisung und des Hauserwerbs standen im Vordergrund des Interesses. Den Gründungsvertrag unterzeichneten Propst Clemens Bringemeier, Fabrikant August Winkhaus, Amtsbürgermeister Wilhelm Lütke Schwienhorst, Ferdinand Busch, Vikar Ludger Böggering und Gerhard Formell, Heinrich Hüser, Wilhelm Hotte, Heinrich Schemmel, Hans von Schmiedeberg, Josef Rottmann, Hubert Herwing, Albert Lessner, Wilhelm Große Holtrup und Ludwig Averdunk. Wilhelm Hotte forderte die Anwesenden auf, der Genossenschaft beizutreten. 35 Mitglieder folgten seinem Aufruf. Daraufhin wurde in geheimer Wahl der Aufsichtsrat gewählt: Propst Clemens Bringemeier, Fabrikant August Winkhaus, Vikar Ludger Böggering, Bäckermeister Ferdinand Busch, Schneidergeselle Heinrich Schemmel, Bauer Wilhelm Lütke Schwienhorst, Schlossergeselle Wilhelm Große Holtrup, Buchhalter Hans von Schmiedeberg und Schmiedegeselle Albert Lersner bildeten dieses Gremium.

Die im Protokoll aufgeführten Mitglieder schlossen sich dem im Jahre 1948 neu gegründeten Diözesan-Siedlungswerk GmbH Aachen, Sitz Köln, an. Mit dieser Gesellschaft wurden fünf Doppelhäuser mit je einem kleinmaßstäblichen und einem Einzelhaus gebaut. Das Bauland wurde von der Kirchengemeinde Telgte in Erbpacht an die Siedler abgegeben. Bevor jedoch die ersten Häuser gebaut werden konnten, musste Baumaterial angeschafft werden.

Die ersten Siedler erhielten vom Rat der Stadt Telgte die Erlaubnis, das große ausgebrannte Parteihaus auf dem Knickenbergplatz niederzureißen und die Reste als Baumaterialien zu verwenden. Das Geld reichte jedoch noch immer nicht. Ersparnisse und Eigenmittel waren aufgebraucht. Es wurde daraufhin in den Kirchen für diesen Zweck sogar gesammelt. Auch das reichte bei weitem nicht. Die Siedler bemühten sich um weitere Gelder, erhielten diese auch von der Spar- und Darlehnskasse. Viel Eigenleistung musste erbracht werden. Da die Kolpingsbrüder alle handwerklich ausgebildet waren und unterschiedliche Handwerksberufe ausübten, halfen sie sich gegenseitig.

So wurden die elf ersten Siedlungshäuser in Eigenleistung im Spätherbst 1950 fertiggestellt. Zu den ersten Siedlern gehörten Maurer Karl Grimme, Maurer Heinrich Schlüter, Elektriker Willi Große Holtrup, Kraftfahrer Karl Schnüpke, Schreiner Hans Kühlkamp, Schlosser Franz Wessling, Schneider Heinrich Schemmel, Zimmermann Bernhard Poppenborg, Schneidermeister Wilhelm Hotte, Schmied Albert Lersner und Dachdecker Gerhard Formell. Diese Häuser wurden entlang des Kolpingweges gebaut. Dieses geschaffene Baugebiet trug den Flurnamen „Up’m Ohse“. Die Kolpingsfamilie ermutigte ihre Mitglieder für partnerschaftliches Miteinander und gemeinsames Handeln. Sie zeigte sich in dieser schweren Phase des Wiederaufbaues als Solidargemeinschaft. Nur so konnte der Wohnraum schnell geschaffen werden.

Die Erstellung der Neubauten war eine gewaltige Arbeitsleistung. In planvoller und zügiger Arbeit entstanden in den Folgejahren 33 Häuser mit insgesamt 66 Wohnungseinheiten. Um den Gründer der Gemeinschaft, Adolph Kolping, zu ehren, wurden nach seinem Namen ein Straßenzug benannt und ihm ein Denkmal gesetzt. Die ständig fortschreitende Bauentwicklung führte dazu, dass die ausgewiesenen Straßen alle mit der Bezeichnung „Verth rechts der Ems“ geführt wurden. Dadurch entstand ein Nummerchaos, das die Amtsverwaltung Telgte im März 1955 beseitigte. Der Heimatverein Telgte brachte sich bei der Namensgebung mit ein. In der Hauptausschusssitzung des Rates wurden am 28. Juni 1955 die ersten Straßennamen vergeben, die Jahre später in „..weg“ umbenannt wurden: Kolpingweg, Brefeldweg, Achtermannweg, Hörstrupweg und Propst-Schrull-Weg waren die ersten Straßennamen. Aus Knickenbergweg wurde der Klatenbergweg.

Im Jahre 1965 erhielt die Kolpingsiedlung an der Ecke Klatenbergweg/Brefeldweg ein von der Familie Ursula und Albert Erpenbeck geführtes Lebensmittelgeschäft. Das Familienunternehmen hatte bis zu diesem Zeitpunkt an der Münsterstraße gegenüber der Bäckerei Schmitz eine Bäckerei betrieben. Im südöstlichen Teil der Kolpingsiedlung im Kreuzungsbereich Ostbeverner-/Westbeverner Straße hatte die Molkerei Telgte noch bis 1982 ihren Firmensitz. Erst mit der Aussiedlung begann 1985 auch hier die weitere Erschließung des Baugebietes.

Das Erscheinungsbild der Kolpingsiedlung hat größtenteils noch seine alte Homogenität erhalten, die sich in der kleinmaßstäblichen Bebauung und in der Formensprache der Fassaden und der Straßenführung zeigt. Besonders gut erhaltene Gebäude bilden den Kolpingweg und den Brefeldweg als Kernstück der Siedlung – wie man auch auf der aktuellen Luftaufnahme erkennen kann.

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