Dr. Arno Lott ist seit einem Jahr Zib-Vorsitzender
„Integration ist ein langwieriger Prozess“
Telgte
Über das erste Jahr als Vorsitzender und die aktuelle Flüchtlingssituation sowie über Möglichkeiten zur Integration der Asylbewerber gibt der Zib-Vorsitzende Dr. Arno Lott Auskunft.
Seit ziemlich genau einem Jahr ist Dr. Arno Lott Vorsitzender des Vereins „Zib – Zusammen ist besser“. Er hat die Aufgabe von Arnold Michels übernommen, der den Verein jahrelang geleitet hat. Lott hatte in einer Zeit das Ruder übernommen, in der es im Verein gewisse Spannungen gab und von einigen Personen Veränderungen angemahnt wurden. Über das erste Jahr als Vorsitzender und die aktuelle Flüchtlingssituation sowie über Möglichkeiten zur Integration der Asylbewerber sprach Andreas Große Hüttmann mit dem Vorsitzenden.
Herr Dr. Lott, als sie vor mehr als einem Jahr den Vorsitz bei Zib übernommen haben, war der Verein in einem „schweren Fahrwasser“. Haben sich die Wellen mittlerweile beruhigt?
Dr. Arno Lott: Die Flüchtlingsbewegung in den Jahren 2015 bis 2017 hat uns alle in Deutschland vor Probleme gestellt. Auch die Ehrenamtlichen, die sich bei Zib engagiert haben, sind an ihre Grenzen gestoßen und waren stark belastet. Die vereinsinternen Strukturen waren teilweise nicht geeignet, um mit diesen Anforderungen fertig zu werden. Dieser Zustand hat sich Gott sei Dank sehr positiv verändert. Unsere Zusammenarbeit im Vorstand mit acht Personen ist entspannt und wirkungsvoll.
Sie sagen, die Strukturen wurden verändert. Was bedeutet das genau?
Lott: Wir haben keine umfassende Strukturreform durchgeführt. Aber wir haben genauer abgegrenzt, wer für welche Aufgaben zuständig ist. Wir sind ein gemischtes Team mit Personen, die verschiedene Hintergründe und Erfahrungen einbringen. Unsere Kompetenzen ergänzen sich.
Kommen wir nun zur eigentlichen Arbeit. Wie viele Personen werden derzeit betreut, wie viele Helfer stehen ihnen dafür zur Verfügung, und was sind die Schwerpunkte in der Arbeit?
Lott: Zurzeit unterstützen rund 50 Helferinnen und Helfer rund 150 Personen. Darüber hinaus helfen wir durch unsere Sprechstunden vielen Menschen in unserer Geschäftsstelle, zum Beispiel beim Ausfüllen von Formularen, beim Schreiben von Bewerbungen oder bei Fragen zu amtlichen Schreiben. In den Sprechstunden beraten wir Zugewanderte auch zu Fragen des Asyl-, Ausländer- und Aufenthaltsrechts. Ein weiterer wesentlicher Schwerpunkt unserer Arbeit sind die Deutschkurse, die wir für unterschiedliche Sprachniveaus anbieten.
Stichwort Integration: Ist die wirklich so schwierig, wie immer wieder behauptet wird?
Lott: Integration ist ein langwieriger Prozess und eigentlich eine „einfache Sache“. Einheimische und Zugewanderte müssen nur aufeinander zugehen. Aber darin liegt das Problem. Auf Seiten der Zugewanderten besteht manchmal die Neigung, lieber unter sich zu bleiben. Andererseits erleben wir auch, dass unsere Veranstaltungen, wie beispielsweise das Sommerfest oder unsere Weihnachtsfeiern, gut angenommen werden. Der Anteil Deutscher, die daran teilnehmen, aber eher gering ist. Ich höre immer wieder von Zugewanderten, dass sie gerne Deutsch sprechen möchten, es ihnen aber nicht gelingt, Kontakt zu Deutschen zu finden. Wir brauchen auf beiden Seiten mehr Bereitschaft, sich auf den jeweils anderen einzulassen und miteinander in Kontakt zu kommen.
Ich höre heraus, dass Sie sich über weitere Mitstreiter freuen würden. Was müssen Interessierte mitbringen?
Lott: Ja, in der Tat. Wir würden uns über mehr Mitstreiter sehr freuen. Bei uns ist jeder herzlich willkommen, der offen und vorurteilsfrei zugewanderten Menschen gegenübersteht. Es sind keinerlei Qualifikationen notwendig. Eine Mitarbeit kann in verschiedenen Bereichen erfolgen, sei es bei der Eingewöhnung in Telgte, beim Erlernen der Sprache, bei der Mitarbeit in unserer Fahrradwerkstatt oder auch einfach mal für ein Gespräch zur Verfügung zu stehen. Auch wer wenig Zeit zur Verfügung hat, kann helfen. Für Fragen zu einer ehrenamtlichen Mitarbeit bei Zib stehen wir gerne zur Verfügung.
Beobachten Sie die neuerlichen Flüchtlingsströme, die teilweise bereits an den Grenzen Europas stehen, mit Sorge?
Lott: Sorge ist, glaube ich, das falsche Wort. Wir sollten zur Kenntnis nehmen, dass, sofern sich die weltpolitischen Gegebenheiten sich nicht ändern und der Klimawandel weiter voranschreitet, es weiter Menschen geben wird, die gezwungen sind, ihre Länder zu verlassen. Der Flüchtlingsstrom wird nicht versiegen. Das wird uns weiter vor Herausforderungen stellen. Auf diese Herausforderungen sollten wir uns jetzt bereits vorbereiten.
Was wünschen Sie sich von der Stadtverwaltung und vor allem von der Stadtgesellschaft Telgte für den Verein?
Lott: Wir arbeiten sehr gut und kooperativ mit der Stadt zusammen. Die Stadtverwaltung bemüht sich sehr um die Integration Zugewanderter. Aber sie stößt oft an ihre Grenzen. So fehlen beispielsweise auch für Geflüchtete bezahlbare Wohnungen. Telgte ist nach meinem Empfinden eine liebenswerte Stadt mit weltoffenen Menschen. Ich wünsche mir, dass das so bleibt.
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