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Parteiverrat in fünf Fällen – Fortsetzung mit Zeuge

Anwalt auf der Anklagebank

Warendorf

Anfang Januar war der erste Verhandlungstag. Verhandelt wurde vor sieben Monaten jedoch nicht. Gleich beim Auftakt kam es zur Verzögerung: Der Angeklagte hatte keinen Verteidiger. Das sah am Donnerstag in Saal 1 im Warendorfer Amtsgericht anders aus: Strafverteidiger Detlev Ströcker aus Münster, der auch die ehemalige Leiterin des NRW-Landgestüts in dem Korruptionsverfahren gegen das Land NRW vertreten hat, saß an der Seite des angeklagten Anwalts. Ströcker rügte gleich zu Beginn der Verhandlung die „Zulassung der Öffentlichkeit“, um anschließend der Anklageschrift der Staatsanwältin zu widersprechen: Der Tatbestand des Parteiverrats sei nicht erfüllt.

Joachim Edler

Das Verfahren gegen einen Warendorfer Anwalt und Notar wegen Parteiverrats in fünf Fällen ist noch nicht abgeschlossen. Fortsetzung am 15. September um 14 Uhr. Foto: Joachim Edler

Das Verfahren gegen einen Warendorfer Anwalt und Notar wegen Parteiverrats in fünf Fällen ist noch nicht abgeschlossen. Fortsetzung ist am 15. September um 14 Uhr. Das Schöffengericht des Amtsgerichts Warendorf unter Vorsitz von Ines Pielemeier und den Schöffen Jochen Neumann und Mechtild Heitkemper hört dann einen Zeugen, einen Kollegen aus der Kanzlei des Angeklagten.

Anfang Januar war der erste Verhandlungstag. Verhandelt wurde vor sieben Monaten jedoch nicht. Gleich beim Auftakt kam es zur Verzögerung: Der Angeklagte hatte keinen Verteidiger. Das sah am Donnerstag in Saal 1 im Warendorfer Amtsgericht anders aus: Strafverteidiger Detlev Ströcker aus Münster, der auch die ehemalige Leiterin des NRW-Landgestüts in dem Korruptionsverfahren gegen das Land NRW vertreten hat, saß an der Seite des angeklagten Anwalts. Ströcker rügte gleich zu Beginn der Verhandlung die „Zulassung der Öffentlichkeit“, um anschließend der Anklageschrift der Staatsanwältin zu widersprechen: Der Tatbestand des Parteiverrats sei nicht erfüllt.

In der Anklage geht es um Vorwürfe, die lange zurückliegen. Als der Angeklagte noch Kurator des Josephs-Hospitals war, hat er das Testament einer vermögenden älteren Dame zugunsten des Krankenhauses beurkundet haben. Es gab jedoch 17 Vermächtnisnehmer (Erben), unter denen das Vermögen (darunter 180 000 Euro liquide Mittel und Grundstücke) aufzuteilen war. Der Stiftung des Krankenhauses sollten – wenn der Nachlass für alle Erben nicht ausreicht – auf jeden Fall 100 000 Euro verbleiben. Der Rest sollte unter den Erben aufgeteilt werden.

Als der Angeklagte dann nicht mehr Chef des Krankenhaus-Kuratoriums war (der Streit ist hinlänglich bekannt), soll er im selben Erbschaftsfall fünf Erben gegenüber dem Krankenhaus vertreten haben, mit dem Auftrag, deren Geld zurückzubekommen. Die Summen, um die es dabei ging: zwischen 7000 und 115 000 Euro. Parteiverrat in fünf Fällen?

Kein Kavaliersdelikt. In Paragraf 356 des Strafgesetzbuches steht: „Ein Anwalt oder ein andere Rechtsbeistand, welcher bei den ihm in dieser Eigenschaft anvertrauten Angelegenheiten in derselben Rechtssache beiden Parteien durch Rat oder Beistand pflichtwidrig dient, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft. Handelt derselbe im Einverständnis mit der Gegenpartei zum Nachteil seiner Partei, so trifft Freiheitsstrafe von einem bis zu fünf Jahren ein.“

Der Angeklagte selbst sprach erst einmal von einem „Fehler“ in der Anklageschrift. Es werde der Eindruck erweckt, so der Jurist, als seien die fünf Anträge gegen das Josephs-Hospital von ihm gestellt worden. Das stimme nicht. Das Mandat für die fünf Erben habe sich nur auf die Verjährungsfrist bezogenen, entsprechend habe er die Forderungen samt Mahnbescheide gegen das Krankenhaus rausgeschickt. Danach sei das Mandat für ihn erledigt gewesen. Und genau hier setzte sein Verteidiger an. Ströcker: Es gibt keine Partei-Identität, da es sich bei den fünf Erben um „Nachzügler“ handelte, die nicht wie die anderen elf Erben – im ersten Schritt – ihre Forderungen geltend gemacht hätten. Somit greife der Vorwurf der „Partei-Identität“ nicht. Da es sich um andere Vermächtnisnehmer handelte, sei der Tatbestand des Parteiverrats nicht erfüllt. Sein Mandant sei nur damit beauftragt worden, eine Verjährung in dem Erbschaftsstreit zu verhindern. Als Zeugen sollten die Erben dazu gehört werden.

Zweitens, führte der Strafverteidiger in seinem Beweisantrag einen weiteren Zeugen ins Feld, einen Kollegen aus der Kanzlei des Angeklagten, der ebenfalls Strafverteidiger ist und bei dem sich sein Mandant im Vorfeld juristisch Rat geholt habe. Nachdem dieser keine Bedenken gehabt haben soll, habe der Angeklagte die fünf Erben vertreten, um lediglich eine Verjährung in dem Fall zu verhindern.

Das Schöffengericht zog sich kurz zur Beratung zurück. Mit dem Ergebnis, dass es die Auslegung des Strafverteidigers, dass es sich hier um keine „Parteien-Identität“ handelt, anhand weiterführender Rechtssprechungen (zum Beispiel Bayrisches OLG) widerlegte. Die Vorsitzende: „Es reicht bereits aus, wenn ein Anwalt verschiedene Beteiligte in einer Erbschaftsangelegenheit, also derselben Rechtssache, vertritt.“ Die eingeschränkte Sichtweise der Verteidigung, das Mandat nur auf die Verjährungsfrist zu begrenzen, sei zu kurz gegriffen und per Gerichtsurteile auch klar widerlegt. Die Vorsitzende: „Ein Rechtsanwalt dient automatisch einer Partei, wenn er das Mandat annimmt.“

Das Schöffengericht sieht deshalb die Vorladung der Erben als „ohne Bedeutung“ an, möchte aber den Kollegen des angeklagten Anwalts als Zeugen hören.

Fortsetzung folgt.

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