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Rolf Schürmann tritt am 1. Mai sein Amt an

Der lange Weg zur Inklusion

Warendorf

„Ich habe gedacht, dass gibt es doch nicht, das kann nicht sein, dass die Stadt drei Jahre keinen Inklusionsbeauftragten findet.“ Rolf Schürmann las sich ins Thema ein, traf andere, die diese Aufgabe schon übernommen hatten – zum Beispiel seine jetzige Kollegin in Ennigerloh. Und er entschied für sich: „Ich mache das.“ Am 1. Mai beginnt sein Dienst.

Von Bettina Laerbusch

Die Umgestaltung der Wegeverbindung zwischen Münsterwall und Emspromenade ist gestartet – ein Mehrgenerationenprojekt, über das sich auch Warendorfs Inklusionsbeauftragter Rolf Schürmann freut. Im Hintergrund das Seniorenwohnen „Emspromenade“. Foto: Bettina Laerbusch

Dieser Mann sprüht vor Energie. Vor Tatendrang auch. Das ist gut so. Dicke Bretter wird er bohren müssen. Die Rede ist von Rolf Schürmann. 66 Jahre jung. Vater von vier Kindern. Drei davon angenommen. Die älteste Tochter ist inzwischen 40 Jahre alt.

Rolf Schürmann und seine Frau Petra bekamen sie, als sie gerade mal zehn Tage alt war. Das Sorgerecht war den leiblichen Eltern entzogen worden. Als die Schürmanns davon erfuhren, überlegten sie nicht lange: „Meine Frau war drei Tage schwanger“.

Rolf Schürmann ist ein offener, ein zugewandter Mensch. Beste Voraussetzungen für jemanden, der das Amt des Inklusionsbeauftragten der Stadt Warendorf übernommen hat. In seiner Sitzung kurz vor Ostern hat nach dem Sozialausschuss im März auch der Rat der Stadt Warendorf einstimmig für Schürmann gestimmt.

Sachkundiger Bürger ist der 66-Jährige seit 2020. Ein Jahr zuvor – nach seiner Pensionierung – trat er in die SPD ein. Politisch interessiert, sagt er, sei er immer gewesen.

Als Sachkundiger Bürger erfuhr er irgendwann, dass die SPD in Warendorf schon 2017 den Antrag im Rat gestellt hatte, die Stadt möge einen Inklusionsbeauftragten beschäftigen. „Ich habe gedacht, dass gibt es doch nicht, das kann nicht sein, dass die Stadt drei Jahre keinen Inklusionsbeauftragten findet.“

Schürmann las sich ins Thema ein, traf andere, die diese Aufgabe schon übernommen hatten – zum Beispiel seine jetzige Kollegin in Ennigerloh. Und er entschied sich: Ich mache das. Er habe eh zu jenem Zeitpunkt einen Schwerpunkt für seinen Einsatz gesucht – ehrenamtlich.

Am 1. Mai startet Schürmann offiziell. Sein erster Arbeitstag ist der 8. Mai, vorher macht er noch eine Woche Urlaub. Sechs bis acht Stunden wird er dann in einem Büro in der Stadtverwaltung an der Langen Kesselstraße anzutreffen sein. „Ich werde nicht erst irgendwelche Satzungen lesen, sondern sofort Ansprechpartner sein für die Einzelberatung und für Vereine wie den VdK, die Rheumaliga oder die Behindertensportgruppe.“

Er selbst ist gehandicapt; 1993 wurde bei ihm Rheuma diagnostiziert. Zwei seiner Kinder haben Beeinträchtigungen, eine seiner Töchter leidet ebenfalls unter Rheuma. Rolf Schürmann war bis 2018 zweiter Vorsitzender des Bundesverband Kinderrheuma, eine Selbsthilfe-Initiative. „Jetzt stehe ich in der zweite Reihe.“

Es ist seine persönliche Situation und daher auch das Thema Selbsthilfe, das ihn dazu gebracht hat, die Aufgabe des Inklusionsbeauftragten zu übernehmen. „Beeinträchtigte Menschen sollen befähigt werden, sich selbst zu vertreten und ihre Interessen deutlich zu machen. Es geht nicht nur darum, sie entsprechend gut zu betreuen“, sagt Schürmann deutlich. Und er kämpft dafür: „Beeinträchtigungen müssen zur Normalität werden.“ Die Menschen hätten oftmals „wenig Energie, sich in andere hineinzudenken.“

Schürmann weiß genau, wovon er redet, sagt etwa, dass es noch jede Menge Baustellen auch in der Stadtverwaltung und im Rat gebe. „Hören Sie alles, was die Ausschuss- und Ratsmitglieder sagen? Wenn ihr Gehör geschädigt ist, sicherlich nicht. Die Disziplin, das Mikrofon zu nutzen, ist nicht da. Und im Sophiensaal gibt es gar keine Mikrofone.“

Der Marktplatz in Warendorf sei jetzt durch das moderne Pflaster „endlich besser begehbar“, lobt Rolf Schürmann Verwaltung und Politik auch. In Freckenhorst indes, wo der Marktplatz Querungshilfen für Menschen mit Handicap bekommen habe, sei die Maßnahme „nicht zu Ende gedacht worden. Schürmann weiß: „In der Gosse bleibt man hängen, wenn man von der Straße auf den Bürgersteig will.“

Konkret im Blick hat der vierfache Familienvater, der beim Kreis Warendorf als Sozialarbeiter in der Jugendhilfe beruflich tätig war, ganz viel – unter anderem begleitet er auch die Neugestaltung der Grünfläche samt Spielgeräten zwischen Münsterwall und Promenade. Dort wünscht sich der neue Inklusionsbeauftragte Spielgeräte, die auch Menschen mit Beeinträchtigungen nutzen können. Eine Weltkugel zum Beispiel, wie es sie bereits in Ennigerloh gebe. „In die können auch schmale Rollstühle; durch Bewegung kann wiederum die Kugel in Bewegung versetzt werden“, erläutert er.

Die Arme gehen mit, wenn Schürmann redet, Herzblut ist zu spüren. Es geht ihm darum, das Engagement für Menschen mit Beeinträchtigungen in Warendorf „besser zu koordinieren“. Wie komme ich an Geld, sei dabei auch eine Frage.

Schürmann ist in Oelde geboren. Nach der Schule machte er zunächst eine Banklehre – dann kann der Zivildienst. Während des Zivildienstes, den er unter anderem bei der Arbeiterwohlfahrt in eine Obdachlosensiedlung in Bielefeld absolvierte, reifte in ihm der Wunsch, Sozialarbeiter zu werden. Wo genau sein Büro zu finden sein wird und wann die Sprechstunden sein werden, werde sich im Mai entscheiden, sagt Schürmann. Sicher ist: Über allem steht das Ziel, das Thema Behinderung im Alltag aller Menschen fest zu verankern.

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