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Peter Lenfers legendäre Predigt

Die Kirchenmaus: Über Kneipen, Kriege und Könige

Warendorf

Aufrüttelnd, witzig, ehrlich. Die Kirchenmaus ist wieder da! Die traditionelle Predigt zur Karnevalszeit von Kreisdechant Peter Lenfers hat inzwischen Kultstatus. Die Rede im kompletten Wortlaut.

Sie hat Kultstatus. Die „Kirchenmaus“ von Pfarrer Peter Lenfers ist in Warendorf legendär. Foto: Pfarrer Lenfers

Psst, psst, ihr Leut! Da bin ich wieder

mit meinem grauen Mausgefieder.

Die Kirchenmaus, sie ist bekannt

im ganzen Warendorfer Land.

Mit meinem schicken Mäusefell

flitz hin und her ich blitzeschnell.

Ich jage flott von Ort zu Ort.

Ich schnupper hier, ich schnupper dort,

schnapp auf, was alles früh und spat

sich irgendwo ereignet hat.

Nach gar nicht allzu langer Zeit

wars neulich wieder mal so weit.

Ich brauchte dringend nen Friseur,

es musste ein Façon-Schnitt her.

Denn auch so´n schickes Mausgefieder

braucht seine Pflege immer wieder.

Wer könnt es besser mir bereiten

als der Salon „Vier Haares-Zeiten“?

Gedacht, getan, ich flitz hinein

und flätz mich in den Sessel rein.

Ich denke: waschen, schneiden, föhnen –

jetzt lässt du dich mal nett verwöhnen.

Kaum sitz ich ganz gemütlich so,

kommt lächelnd schon der Figaro,

legt um die Krause aus Papier

in formvollendeter Manier,

dazu den Umhang noch ganz schnell

fürn Abfall aus dem Mausefell.

„Wie immer, liebe Kirchenmaus?“

packt er behänd sein Werkzeug aus,

fährt munter mir durch mein Gefieder,

schert rauf und runter immer wieder

und kämmt so manche wilde Tolle

aus meiner schönen grauen Wolle.

Ganz heimlich blick ich in die Runde:

Da ist noch mancher andre Kunde.

Wie´s im Salon so nun mal ist,

da hörst du ohne große List

von Tagespolitik und Wetter,

von Nachbarn-Streit und groß Gezeter,

Beziehungsstress mit den Kollegen,

genügend Stoff, sich aufzuregen,

von Urlaubsplänen, Spiel und Sport,

Gerüchte auch in einem fort,

vom „who is who“ im Weltgetriebe,

und von dem Einen, ja, der Liebe,

von Wichtigem und Nebensachen,

wo alle sich Gedanken machen,

was unbedingt Du wissen muss,

von auch manch überflüssgem Stuss,

hörst Alltagsweisheit und auch Sachen,

die unterm Strich dir Sorgen machen,

hörst Dinge, die vor allen Dingen

Dich heimlich gar zum Schmunzeln bringen.

Das Leben pur, ich dacht mir´s schon,

tobt einfach im Friseursalon.

Kurzum: das bunte Weltgeschehen

scheint sich wohl beim Coiffeur zu drehen.

„Nää“, hör ich da von nebenan,

„Du kommst kaum an den Laden ran.

Die ganze Stadt ist aufgerissen.

Das ist doch wieder mal besch…eiden.

Von Elsbergplatz bis Münstertor –

was ham se diesmal bloß nur vor?“

„Jau“, räuspert sich ein Nachbar jetz,

„das ist doch fürs Nahwärmenetz!

Wer klimafreundlich voranschreitet,

ist für die Zukunft vorbereitet!

Doch Archäologen außerdem

sich auch noch in das Loch bege´m.

Sie kratzen, pinseln, buddeln Löcher –

und das unendlich, noch und nöcher.

Sie wühlen in Vergangenheit,

das kostet einfach zu viel Zeit!

Wann hat das endlich mal ein Ende?

Wir stehn längst an ´ner Zeitenwende!“

„Die Zeitenwende!“, tönts herüber,

„Ja, diese Welt geht bald hinüber!

Der Putin, außer Rand und Band,

entfacht nen riesen Flächenbrand.

Kaum, dass wir uns so recht versehn,

ists um Europa bald geschehn.“

„Ja“, sagt da jemand mit Verdruss,

„das ist der Putin, nicht der Russ!

Wenn Putin Russlands Großreich braucht,

hat er wohl schlechten Shit geraucht.

Wer andre Länder überfällt,

ist alles andre als ein Held.

Der ist ein regelrechter Schlächter,

ein schlimmer Menschenrechtsverächter,

ein niederträchtger Bösewicht,

gehört ganz dringend vors Gericht!“ –

Die alte Dame neben mir

blickt angestrengt in ein Papier.

Mir scheint`s das „Goldne Blatt“ zu sein,

ist reich bebildert, bunt und fein.

„Schau mal, die Queen Elisabeth,

so ´ne Frisur, die find ich nett.

Und diese Kleider, ach herrje,

so farblich passend und wie schee!

Ach, wär ich einmal eine Queen,

die Welt würd vor mir niederknien!“

„Ja, dafür reicht es wohl nicht ganz,“

raunt der Coiffeur mit Pferdeschwanz.

„Hast Du´s denn gar nicht mitgekriegt,

dass sie längst unter Erden liegt?

Prinz Charles ist endlich jetzt gut drauf

und läuft als Rentnerkönig auf.“

Sprichts und beginnt die Prozedur,

verpasst ihr glatt die Queenfrisur.

„Gestorben ist auch Benedikt“,

wird’s von der Seite reingekickt.

„Er hats jetzt hinter sich und (grunz)

wir habens auch jetzt hinter uns.“ –

„Kaffee gefällig, werter Herr?“

„Ja, gerne!“ - „Bittschön!“ - „Danke sehr!“ –

Dann plötzlich liegt streng in der Luft

ein ziemlich penetranter Duft.

Er rührt gar nicht vom Kaffee her,

versprüht hat ihn der Herr Coiffeur,

die alte Dame eingenebelt –

ich fühl mich etwas ausgehebelt,

um nicht zu sagen: arg geschafft

von stickigem Dreiwettertaft. –

„Ich hab mich letztens umgeschaut:

In Warendorf wird ja gebaut!“,

tönts da von irgendeiner Ecke.

„Das geht jetzt ziemlich durch die Decke!

Denn jahrelang ging gar nichts ab,

dann kommt es plötzlich voll auf Trab.

Die Milter- und die Bundesstraße

verbindet bald ne neue Trasse.

Und ´In de Brinke´ – wolln wa wetten? –

kann vor Familjen sich nicht retten,

die ihren Geldbeutel nicht schonen,

um endlich hier vor Ort zu wohnen.“

„Wohnen kannst bald auch zentral

in einem vormaligen Lokal“,

munkelt ein andrer informiert.

„Das Goldne Horn wird renoviert!

Gestern noch zweifelhafte Bar,

mutierts zum besten Wohnraum gar.

Doch“, sagt er zwinkernd, „stell Dir vor,

Du kommst mal an das Himmelstor

und Petrus fragt Dich intressiert,

was Du fürn Leben so geführt.

Bevor er öffnend Dich belohnt,

sagst Du: Ich hab im Puff gewohnt!“ –

Ding-Dong!, erklingt die Ladenschelle

und freundlich tritt über die Schwelle

der Zustellbote von DHL

mit seiner Sackkarre ganz schnell,

lädt ab so einige Pakete,

flitzt weiter wie eine Rakete:

„Ich komm bald wieder, keine Frage!“

„Ja, danke, Josef, bis die Tage!“ –

„Mann, mit dem Kölner Kardinal

ist es doch einfach eine Qual!“,

sagt jemand hinten aus dem Off,

„Der Woelki hat auch nur noch Zoff,

führt dauernd neu Gerichtsprozesse.

Was ist denn da los, meine Fr…eunde?

Der hält ein Gutachten zurück

und demontiert sich Stück für Stück.

Die Leute gar in schieren Massen

flüchtend die Kölner Kirch verlassen.

Und nicht genug, im ganzen Land

kommen die Menschen angerannt

und treten aus in großen Scharen,

auch solche, die aktiv mal waren.

Nur Woelki auf ner Wolke schwebt,

doch fest an seinem Sessel klebt.“

„Ja“, meint ein andrer, „nicht genug:

Der übt am Gottesvolk Betrug,

gibt sich ganz rom- und linientreu.

Die Leute sind ihm einerlei,

wie heute Glaube sie verstehn.

Der kann nur auf das Gestern sehn.

Und nebenbei: Seine Frisur

vertrüg mal ne versierte Schur!“

„Was auf dem Kopf, ist ja das eine“,

sagt da ein Nächster, „doch ich meine,

was in dem Kopf, mein guter Mann,

genau darauf kommts richtig an!

Das Gottesvolk, es braucht Reformen,

Befreiung aus manch alten Normen.

Im Volke gibt es reichlich Regung

und viel gedankliche Bewegung.

Der Synodale Weg wills richten

und mutig in die Zukunft sichten.

Ganz viele engagierte Leute,

die sorgen sich um Kirche heute,

wolln endlich Gleichberechtigung,

verleihn der Kirche neuen Schwung.

Die Amtskirch leider sitzt es aus

und macht dem Gottesvolk Garaus.

Die Mitraträger, meine Lieben,

sind oft gedanklich stehngeblieben.

Die meisten Bischöfe sind kleinlich,

in ihren Wortbeiträgen peinlich

und üben sich, wie jammerschade,

ganz überwiegend in Blockade! –

„Kaffee gefällig, werter Herr?“

„Ja, gerne!“ - „Bittschön!“ - „Danke sehr!“ –

„Ha, da lach ich mir nen Ast:

Der Boris Becker kommt aus`m Knast!“,

blickt jemand auf aus der Gazette,

„Für den war erst mal aus die Fete!

Den Briten war er nicht geheuer,

den´ wird der Brexit schon zu teuer.

Den ham se einfach ausgewiesen,

um die Bilanz nicht zu vermiesen.“

„Ja,“ sagt der Nächste, „wolln wa wetten,

der wird jetzt durch die Talkshows jetten,

pausenlos durch die Lande tingeln,

auf dass die Kassen tüchtig klingeln,

wird seine Unschuld brav beteuern,

will den lädierten Ruf erneuern.“

„Chinas Ruf ist auch beschmiert“,

bemerkt ein andrer intressiert.

„Die waren ja noch nie ganz ohne.

Doch jetzt, die Spionageballone,

die sie im Orbit fliegen lassen…

Ja, ist das alles noch zu fassen?“

Ein Nächster lacht, als er berichtet:

„Ich hab so ´n Ding vor Ort gesichtet,

hab Gas gegebn mit mei´m Wagen,

um flott ihm hinterherzujagen.

Mit Abstand zwar, doch der Ballon,

der flog und flog mir nicht davon.

Und ich geb alles, dranzubleiben,

seh klar ihn durch die Windschutzscheiben.

Auf einmal merkt ich, ach, o Backe,

das war ja nichts als Vogelkacke!“ –

„Kaffee gefällig, werter Herr?“

„Ja, gerne!“ - „Bittschön!“ - „Danke sehr!“ –

„Hab ich erzählt“, fragt jemand da,

„dass ich jetzt auf der PriPro war?

Nach langen Jahren Kreienbaum

war – angekündigt – aus der Traum.

Wohin, wohin? Das war die Frage.

Der Kommandeur rettet die Lage

und lädt die Narren zu sich ein,

jedoch es darf nur einmal sein.

Der neue Oberst hats nicht gerne

in seiner schicken Sportkaserne.

Der Stützpunktleiter der FN

erweist sich da als Gentleman:

Was sonst die Springhalle den Pferden

soll demnächst zur Narrhalla werden.

Der Präsident kanns fast nicht glau´m

und schlägt vor Freude Purzelbaum.“

„Ja, unter vielen Narrhallesen

bin ich auch selbst dabei gewesen“,

bemerkt jemand drei Plätze weiter,

„Der Abend war feucht-fröhlich-heiter.

Es galt, mit Pauken und Getösen

den Dauerprinz Frank abzulösen,

der aus nicht ganz so freien Stücken

die Pandemie musst überbrücken.

Uwe II. ist jetzt Prinz,

den kennt hier wirklich Kunz und Hinz.

Der Uwe lehrt am Bodelschwingh

und Ottifanten sind sein Ding.

Im Karneval ist er versiert,

hat oft den „Zoch“ schon kommentiert.

Jetzt stürzt er – sichtlich hocherfreut –

sich in die fünfte Jahreszeit.

Gib Gas, Prinz Uwe, you remember:

Die PriPro ist schon im Dezember.

Der nächste Prinz steigt in die Bütt,

er diesmal schon vorm Christkind kütt.“

„Zu Karneval ist jetzt was los“,

freut sich ein andrer grandios.

„Ansonsten doch – was glaubstn Du? –

macht alles ringsum einfach zu!

Im Kolpinghaus ist aus das Licht.

Auch Buller-Edeka hat dicht.

Für Hotel Mersch gleich nebenan

hat sich gottlob was aufgetan.

Der Name klingt leicht dubios.

Man denkt sich: was ist da denn los?

Die Innenstadt, sie blutet aus:

Für Darpe ist bald „aus die Maus“.

Dann schließt demnächst noch Hippo-Book.

Ja, zappenduster wirds jetzt, guck!“

„Doch zwischendurch hat man gedacht:

Das Kolpinghaus wird aufgemacht“,

hört man den nächsten Zwischenton,

„wenn auch nur für diese Session.

Kurzzeitig flammte Hoffnung auf,

dann nahm das Drama seinen Lauf.

Denn zu marode ist der Laden,

man fürchtete nen Wasserschaden.

So schnell die Hoffnung war gewonnen,

so schnell war sie dann auch zerronnen.“

„Ja, Leute“, wird’s hereinkrakeelt,

„ich weiß wohl, was in War´ndorf fehlt:

Für Junge, Alte, ach, für alle

fehlt eine große Bürgerhalle

für Karneval, Kunst und Kultur.

Wann kommt man in die Puschen nur?

Ja, Warendorf hier mächtig schwächelt,

wird ringsum mitleidig belächelt.“

„Stattdessen“, tönts von anderswo,

„berät man übern Streichelzoo

für heimisch` Tierart wie den Fuchs,

den Gepard, Wolf und auch den Luchs.

Der Rat soll lieber mal beraten,

was letzter Zeit ist schief geraten.

Die Gartenschau, ja, ri-ra-rix,

das wurd von neuem wieder nix.

Der Laie sich die Haare rauft:

Man hat nen Rasenstück gekauft.“ –

Da seh ich, dass mein Hairstylist

mit seinem Werk am Ende ist.

„So, meine liebe Kirchenmaus,

jetzt siehst Du wieder propper aus!

Darfs noch ein bisschen Haargeel sein?

Dann mach ich Dir das auch noch rein.“

„Ja, danke!“, sage ich und zahle,

begeb mich schnell aus dem Lokale,

verlasse den Friseursalon,

schleich frisch frisiert mich froh davon.

Ja, der Salon „Vier Haares-Zeiten“

kann schöne Stunden Dir bereiten.

Was ich gehört, kann ich kaum fassen,

wills Eurem Urteil überlassen:

Was ist wohl wahr? Was ist erdicht´?

Was ist ganz einfach ein Gerücht?

Das findet Ihr schon selber raus!

War´ndorf Helau! Die Kirchenmaus

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